Tatort aus dem Schwarzwald:In der Stadtrandhölle

Tatort aus dem Schwarzwald: Hartnäckig verschwiegen: Ermittler Franziska Tobler (Eva Löbau, rechts) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) mit der verdächtigen Sandra Vogt (Lisa Hagmeister).

Hartnäckig verschwiegen: Ermittler Franziska Tobler (Eva Löbau, rechts) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) mit der verdächtigen Sandra Vogt (Lisa Hagmeister).

(Foto: Benoît Linder/SWR)

Im Tatort "Die Blicke der Anderen" bleibt von Mann und Kind nur ein Blutfleck, der Ehefrau traut keiner über den Weg. Was für ein Elend. Und überraschenderweise sehr spannend.

Von Claudia Tieschky

Die Kommissare Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) sind kein aufregendes Ermittlerteam, aber sie können halt nur das machen, was ihre Story hergibt. In der Episode "Die Blicke der Anderen" lösen im Grunde die noch weniger belebten Kolleginnen Funkzellenabfrage und Verkehrskamera den Fall. Tobler/Berg bleibt kaum mehr, als körnige Fotoausdrucke zu sortieren und sich zwischendurch ihre Vermutungen darüber zu erzählen, was passiert ist: In einem blitzblanken Wohngebiet sind Mann und Kind spurlos verschwunden, auf dem Ehebett der Vogts trocknet eine riesige Blutlache und die Ehefrau wird mit leerem Blick an einem Tisch in der Autobahnraststätte Mahlberg gefunden. Hier muss jetzt unbedingt dem 2016 verstorbenen wunderbaren Grafiker und Esser Wolfram Siebeck in den Wolken gewunken werden, der auf Burg Mahlberg lebte und dem zu dieser Szenerie viel eingefallen wäre.

In diesem Wohnparadies hat die Schwiegermutter die Lufthoheit

Wo Mann und Kind sind, weiß die Mutter nicht, und das lässt ja schon tief blicken, wenn eine nach dem Betriebsfest im Morgengrauen nur zum Duschen heimkommt, nicht in die Schlafzimmer schaut und gleich wieder türmt. Verdächtig, oder? War sie es? "Die Blicke der Anderen" (Regie: Franziska Schlotterer, Buch: Bernd Lange) entwickelt sich schnell zur Milieustudie aus dem höllischen Stadtrandparadies, wo Schwiegermutter und pensionierte Grundschullehrerin Lufthoheit haben und gegen alles hetzen, was sie nicht kennen. Gleichzeitig ist dieser Tatort ein sehr solider Whodunit, der seine Spannung aus der psychologischen Undurchsichtigkeit aller Beteiligten zieht. Und Franziska Tobler hat einen feinen Moment, wenn ihr die Nachbarin der Vogts selbstgemachte Überwachungsprotokolle von der Tatnacht übergibt und gierig fragt: "Wollen Sie wissen, was ich denke?" Wie Eva Löbau sich da Schwung holt und munter "Ja unbedingt!" ruft, das ist schon hübsch, weil die frisch niedergerungene Abneigung gegen diese Frau noch mitweht. Dass die ARD diesen Sonntagskrimi unter dem Label ihrer Themenwoche "Wir gesucht! - Was hält uns zusammen?" führt, ist putzig, denn hier fliegt wirklich alles auseinander, dass es nur so kracht.

Schwierige Ehen machen nur im französischen Kino was her und sind im deutschen Fernsehen emotional meistens so aufregend wie Hering in Gelée, man will dann immer gleich dem Film die Schuld am Liebeselend geben. Hier ist es interessanterweise anders. Das liegt auch am Spiel von Lisa Hagmeister als Sandra Vogt, die anfangs in der Raststätte sitzt, hartnäckig verschweigt, wo sie die ganze Zeit war, und ihre Traurigkeit am Ende federleicht werden lässt.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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