"Tatort" aus dem Schwarzwald:Alte Männer zwischen jungen Mädchenhüften

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Humbert und Lolita: Zwei Jahre lang sind Martin (Andreas Lust) und Emily (Meira Durand) durch Europa gefahren. (Foto: SWR/Benoit Linder)
  • Der Schwarzwald-Tatort beginnt mit einer Autobahnfahrt: Der Mann ist fünfzig, das Mädchen fünfzehn und beide sind im Rausch aus Licht und Glück.
  • Der Fall erzählt von einem sexuellen Machtgefälle. Aber die Drastik, mit der er das tut, ist irritierend. Und unnötig.
  • "Für immer und dich" läuft um 20.15 Uhr im Ersten.

Von Claudia Tieschky

Finden Sie Lolitas nicht auch sexy? Den zarten Schimmer von Teenagerbeinen in Hotpants? Kleine Schmollmünder? Hühnchenknochige Hüften? Sie werden diese Fragen wahrscheinlich befremdlich finden. Wer dagegen mit Ja antwortet, wird in diesem Schwarzwald- Tatort gut bedient. Das kommt Ihnen irgendwie nicht richtig vor? Genau.

Der Mann in diesem Tatort heißt Martin Nussbaum (Andreas Lust), aber natürlich ist er Humbert Humbert aus Nabokovs Roman. Zwei Jahre ist er mit seiner Lolita, die Emily heißt (Meira Durand), quer durch Europa gefahren. Am Anfang zeigt der Film der Regisseurin Julia von Heinz eine Autobahnfahrt, Rückkehr über die deutsche Staatsgrenze, Sonne, ein lachendes Mädchen, das auf dem Rücksitz raucht und mit dem Hund spielt, ein sehr gerührter Mann, sie hängt an seinem Hals, er küsst ihre Füße in den dreckigen Tennissocken - ein einziger Rausch aus Licht und Glück. Der Mann ist fünfzig, das Mädchen fünfzehn. Auf dem Klo in der Raststätte wäscht sie sich die Achseln, nimmt ordentlich die Pille, und schlendert wie eine kleine Nutte zu ein paar verschwitzten Lastwagenfahrern, die ganz glänzende Augen bekommen. Was genau soll das bedeuten?

Es geht um eine Konstellation wie im echten Fall der Freiburgerin Maria H. - wenn Mädchen scheinbar freiwillig mit erwachsenen Männern durchbrennen. Die gartenzwergnetten Ermittler Tobler (Eva Löbau) und Berg (Hans-Jochen Wagner) spielen nur eine Nebenrolle. "Für immer und dich" unternimmt den äußerst gewagten Versuch, Macht nicht nur einem zuzusprechen in einer Beziehung, die man Missbrauch nicht nennen kann, sondern so nennen muss.

Drehbuchautor Magnus Vattrodt ist ein Seelenforscher, er ist jemand, der so etwas kann. Eigentlich ist "Für immer und dich" ein sehr guter Film, aber er will eben auch ein drastischer Film sein. So musste die unnötige Szene rein, in der eine magere 15-Jährige gelangweilt an die Decke schaut, während man tatsächlich sieht, wie der alte Mann ihr die Unterhose runterzieht und mit dem Mund zwischen die Beine geht. "Teenager ist das meistgesuchte Wort auf Pornoseiten", heißt es in einem Tatort-Lehrdialog auf dem Revier. Bei dieser Szene muss keiner auf solche Seiten, das hat schon alles die ARD.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr

© SZ vom 09.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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