Tatort "Schmuggler":Mogadischu am Bodensee

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Dealer, Schmuggler, Schweizer: Im wilden Süden der Republik ballt sich eine riesige Ansammlung von Dunkelmännern, von denen einer einen Zollbeamten umgebracht hat. Doch beim Zuschauer setzt die Müdigkeit allzu schnell ein, wenn die Kommissare Klara Blum und Kai Perlmann die immergleichen Fragen stellen, und die Story schließlich in deutsch-ranzigem Weihnachtsfeierhumor strandet.

Holger Gertz

In diesem Tatort will Klara Blum dauernd von den Verdächtigen wissen, was eigentlich passiert ist. "Wo waren Sie Dienstagabend zwischen 20 und 21 Uhr?" forscht die Bodensee-Kommissarin, oder: "Erinnerst du dich an letzten Dienstag?" Assistent Perlmann fragt in die Runde: "Wo waren Sie vergangenen Dienstag um acht?", aber schon bei der zweiten Nennung dieses Wochentages klopft einem die Müdigkeit mit ihrem schweren Finger auf die Schulter, wo man sich doch wachhalten muss, denn die Handlung ist kompliziert.

Bodensee-Kommissare Klara Blum (Eva Mattes, links) und Kai Perlmann (Sebastian Bezzel): Wenn der Abspann beginnt ist der Fall schon vergessen. Spätestens aber am Montag. (Foto: obs)

Es gibt zahlreiche Verdächtige, sie heißen Kümmerle und Neuerer und Krämer, und sie haben an jenem verdammten Dienstag dieses oder auch jenes getan. An der Zollstation ist ein Beamter ermordet worden, und es zeigt sich, dass der Bodensee das Mogadischu Mitteleuropas ist, ein Ort, an dem Dunkelmänner sich ballen: Dealer, Schmuggler, Schweizer.

Eva Mattes muss als Klara Blum Sätze sagen, die Harry Klein so ähnlich in der Schwarz-Weiß-Phase des Kommissars im Drehbuch stehen hatte. Sie tut das in diesem sanft schimmernden Eva-Mattes-Tonfall, das hört sich sehr gut an.

Der Mattes in einem Film zu begegnen, ist grundsätzlich erfreulich, auch Julia Koschitz als Zollbeamtin ist ein Erlebnis. Gerade war sie als Selbstmörderin in dem großartigen Drama Der letzte schöne Tag zu sehen, und nur batteriebetriebene Menschen mussten da vorm Fernseher nicht weinen, allen anderen brach das Herz.

Dieser Tatort dagegen kann nicht von Mattes und nicht mal von Koschitz gerettet werden. Überladene Story. Deutsch-ranziger Weihnachtsfeierhumor in der Schlusssequenz, wo ja - eine chronische Tatort-Krankheit - alles Elend in gewollter Heiterkeit zu stranden hat.

Plötzlich geht das Licht aus, der Assistent fasst mit schweren Fingern der Kommissarin und einer großäugigen Bürokraft versehentlich an die Blusen, ihm selbst wird im Dunklen an die Hose gegriffen, er sagt, dass das da seine Waffe ist. Dann kommt der Abspann, und dann ist der Fall vergessen. Also spätestens am Montag.

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr

© SZ vom 28.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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