Saarbrücker "Tatort"-Kommissare abgesetzt:Einvernehmlich? Von wegen!

"Wir waren gerne 'Tatort'-Kommissare": Maximilian Brückner und Gregor Weber haben als Saarbrückener Ermittler ein Publikum aufgebaut. Dass sie nun weg sollen, zeugt einmal mehr von der Stillosigkeit, mit der der Saarländische Rundfunk mit dem "Tatort" umgeht.

Christopher Keil

Besonders empfindlich reagieren öffentlich-rechtlich gesinnte Manager, wenn man die Systemfrage stellt. Die Systemfrage bezieht sich dabei nicht nur auf den Rundfunkstaatsvertrag oder auf unterschiedliche Fälle des Amts- und Machtmissbrauchs oder von Korruption.

Tatort

"Schlecht formulierte und verlogene Pressemitteilung": Gregor Weber und Maximilian Brückner zogen es bei der SR-Trennung vor, nicht von "beiderseitigem Einverständnis" zu sprechen.

(Foto: SR/Manuela Meyer)

Systemfragen stellen sich auch im alltäglichen Produktionsbetrieb: Wie entstehen Filme für die unterschiedlichen Programmplätze in so gigantischen Fernsehmaschinen wie der ARD oder dem ZDF? Wie entsteht zum Beispiel ein Tatort? Warum wird ein Tatort-Kommissar abgesetzt beziehungsweise: Wie wird er abgesetzt?

Der Saarländische Rundfunk (SR) hat da offenbar ein Saarland-System entwickelt. Vor zwei Wochen wurde den Schauspielern Maximilian Brückner und Gregor Weber eröffnet, dass sich der SR entschlossen habe, sie als Tatort-Kommissare Kappl (Chef) und Deininger (Assistent) "in Rente zu schicken". Weber wurde das in einem Telefonat genau so mitgeteilt, sagt er. Am anderen Ende sprach Christian Bauer. Bauer ist seit 2009 redaktionell für den Tatort des SR zuständig.

In einer wortreichen und seltsam entrückten PR-Note des Senders, die an diesem Montagabend verbreitet wurde, ist von "Verabschiedung" und "Dank" die Rede: "Mit den Figuren Franz Kappl und Stefan Deininger setzte der SR seit 2006 auf ein Ermittlerteam, das seine Dynamik aus der regionalen und mentalen Unterschiedlichkeit der Typen gewinnt. Dass beide Ermittler die Welt des anderen nicht wirklich verstehen und völlig unterschiedliche Methoden haben, machte den Reiz des Paares aus. Die Story dieses ungleichen Paares ist aber aus unserer Sicht jetzt zu Ende erzählt." Sagt Christian Bauer.

Bauer ist, wenn man es richtig verstanden hat, ausgebildeter evangelischer Pfarrer und war eine Weile stellvertretender ARD-Sprecher, weil der inzwischen verstorbene SR-Intendant Fritz Raff 2007 für zwei Jahre ARD-Vorsitzender war. Inzwischen gilt Bauer, der beim SR volontierte und Mitarbeiter im Hörfunk war, als Filmspezialist. Hat er entschieden, dass am 22. Januar 2012 der siebte und letzte Tatort mit Brückner und Weber gezeigt wird?

In ersten Entwürfen der offiziellen Stellungnahme wird noch der neue SR-Intendant zitiert, Thomas Kleist. Damit sollte wohl angedeutet werden, dass es sich um einen Vorgang höchster Priorität handelt. Kleist tritt aber in dem dann ausgesandten Bulletin nicht mehr auf. Mit der Neuausrichtung des Tatorts sei die von Andrea Etspüler geleitete Programmgruppe Unterhaltung und Sonderprogramme/Fernsehspiel betraut, heißt es.

Doch warum werden Brückner, 32, der zu den besten deutschen Darstellern seiner Generation zählt (Der Brandner Kaspar), und sein in Saarbrücken geborener Kollege Weber, 43, überhaupt abgelöst? "Über das überraschende Ende sind wir erstaunt und nehmen es mit Verwunderung zur Kenntnis", teilen beide auf Anfrage an diesem Dienstag mit.

Wähnt der SR sich unbeobachtet?

Nach SZ-Informationen widersetzten sie sich dem Wunsch des Saarländischen Rundfunks, die bei Trennungen gängige Floskel "in beiderseitigem Einverständnis" in die Pressemitteilung aufzunehmen. Bauers Begründung für eine Neubesetzung des Saarbrücker Tatorts können sie nicht nachvollziehen. "Gerade die Gegensätze waren es, die den Erfolg des Teams ausgemacht haben und die unserer Meinung nach noch lange nicht auserzählt sind", schreiben sie. "Wir waren gerne Tatort-Kommissare."

Faktisch ließe sich tatsächlich eher belegen, dass die Geschichte der beiden so ungleichen Ermittler aus Saarbrücken, anders als SR-Redakteur Bauer es andeutet, großes Interesse auch auf mehr weckte. Was im Fernsehen interessiert, wird eigentlich nicht abgeschafft. Quoten und Marktanteile, auch in den mit Gebühren ausgestatteten Rundfunkunternehmen wichtigste Qualitätskriterien, sprechen jedenfalls für die Kommissare Kappl und Deininger.

2010 und 2011 schauten konstant mehr als achteinhalb Millionen Menschen zu, mit ihren Werten liegen sie in einem aktuellen Ranking der 16 Tatort-Kommissariate auf Platz sieben. Das ist für eine klamme Anstalt wie den Saarländischen Rundfunk, die im Jahrbuch der ARD keine eigenständige Fiktion-Redaktion ausweist und sich bei der Produktion des jährlichen Tatorts von BR, SWR und NDR finanziell unterstützen lassen muss, ein Erfolg.

Was also bringt Tatort-Redakteur Bauer dazu, eine gewachsene Marke, die nicht nur im Saarland beliebt ist, einzustellen? Gregor Weber wirft Bauer vor, mit einer "schlecht formulierten und offensiv verlogenen Pressemitteilung" versucht zu haben, die Angelegenheit so aussehen zu lassen, "dass eigentlich wir gehen wollten und die Entscheidung sehr knorke finden".

Trennungen verursachen fast immer Verletzungen, und in anderen Sendern haben sich Schauspieler auch nur schwer damit abfinden können, dass sie die inzwischen populärste und bedeutendste Rolle im deutschen Fernsehen, die Rolle des Tatort-Kommissars, abgeben mussten. Im Saarland allerdings, diesem südwestlichen Winkel auch der ARD, sind sie augenscheinlich von hausgemachter Stillosigkeit umstellt. Liegt es daran, dass sich der kleine SR unbeobachtet wähnt? Oder daran, dass er über gar keine Redaktionseinheit mit ausreichend Budget und Personal verfügt, die Fernsehspiele professioneller, kompetenter organisieren könnte?

2006 ersetzte Maximilian Brückner den Kollegen Jochen Senf, der 17 Jahre lang als anarchischer Max Palu auf dem Fahrrad die Verbrecher jagte. Auch Senf bekam im Herbst 2004 einen Anruf. Ihn informierte Inge Plettenberg. Frau Dr. Plettenberg hatte für den SR bis dahin überwiegend historische, landesgeschichtliche Dokumentationen und Features fabriziert. Dann stieg sie plötzlich zur Tatort-Beauftragten des SR auf.

Ein Neuer in der Schublade

Dass sie den Saarbrücker Tatort neu aufstellen sollte, war schon auch grotesk. Plettenberg formulierte gegenüber Senf, sie wolle einen saarlandspezifischen Krimi für die ARD-Reihe entwickeln. Ihr fehle doch die Kompetenz, entgegnete Senf. Das verneinte wiederum Plettenberg und verwies auf grünes Licht, das angeblich von oben erteilt worden sei.

Die Fälle Plettenberg und Bauer sind systemisch gut mit einander vergleichbar. Plettenberg wie Bauer bekamen Befugnisse, über fiktionale Inhalte zu urteilen, ohne dafür zunächst erkenntlich qualifiziert zu sein. Das sehen und sahen sie natürlich anders. Plettenberg verstand sich auf Geschichte, Bauer auf die evangelische Kirche und PR, selbst, dass er sich beim SR zum Journalisten ausbilden ließ, befähigt ihn noch nicht, einen Tatort entscheidend voranzubringen. 2009 ersetzte er trotzdem Plettenberg.

Wenn man mit Gregor Weber spricht, hat man den Eindruck, er und Maximilian Brückner hätten Bauer zunächst unterstützt, weil sich alle drei einig über den Weg waren, den saarländischen Tatort voranzutreiben: wechselnde Regisseure, gute, ausgearbeitete Drehbücher, Beteiligung der Darsteller am kreativen Prozess. Nachdem er vermutlich das Vertrauen von Brückner und Weber erworben hatte, soll Bauer aber schon im vergangenen Winter ihre Nachfolger gesucht haben.

Auf SZ-Anfrage antwortet dazu der SR: "Christian Bauer ist in der deutschen Nachwuchs-Filmszene gut vernetzt. Und ein guter Redakteur ist immer auf der Suche nach guten Stoffen, guten Darstellern und guten Regisseuren. Es wäre geradezu sträflich, nicht ständig über Entwicklungschancen für den SR-Tatort nachzudenken, insbesondere dann, wenn Verträge auslaufen."

Bis Dezember noch gilt der Rahmenvertrag, der mit Brückner und Weber geschlossen wurde. Warum hat sie Bauer nicht schon vor zwölf Monaten über seine "ständigen" Überlegen informiert, sondern so kurzfristig? Ein Sender kann sich ja eine neue Sendung bauen. Er kann eine Reihe umbesetzen oder den Tatort-Kommissar austauschen. Das bringt auch Aufmerksamkeit. Darüber sprechen die Leute. Und die Leute sprechen jetzt darüber, dass Brückner und Weber einer Intrige aufgesessen seien. Von der Ferne betrachtet, sieht es so aus.

Angeblich soll bald Devid Striesow engagiert werden. Stimmt das? Der SR bittet um Verständnis, dass "wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nichts zu neuen Konzepten, neuen Darstellern oder neuen Darstellerkonstellationen sagen wollen". So klingt kein Dementi.

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