"Tatort" aus Münster:Hinter dem Gatter beginnt Gomorrha

Tatort: Rhythm and Love

Ermitteln auf ungewohntem Terrain: Frank Thiel (Axel Prahl, li.) und Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers).

(Foto: Martin Valentin Menke/WDR)

Thiel und Boerne müssen in der Folge "Rhythm and Love" den Mord am Anführer einer Hippie-Kommune klären.

Von Claudia Fromme

Schaurig ist es, übers Moor zu gehen, vor allem, wenn da zwar ein schöner, aber doch ziemlich toter nackter Mann liegt. Der stellt sich als Anführer einer Hippie-Kommune heraus, in der es viel um Sex und Gemüse und Drogen geht. Kommissar Thiel (Axel Prahl) und Rechtsmediziner Boerne (Jan Josef Liefers) atmen alsbald nicht genormtes Leben auf dem Erlenhof ein, dort wird Urschrei, Trommeln und Tantra praktiziert. Im katholischen Münster sind die Verhältnisse geklärt: Gomorrha ist hinter dem Gatter der Bauwagenburg, Ordnung davor in den Neubausiedlungen mit Kirschlorbeer. Ab und zu wechselt jemand die Seiten, selten für immer. "Das passt ja nicht ins Bild", sagt eine, die am sortierten Leben fast erstickt, aber weiß, was die Nachbarn und der Bischof sehen wollen.

Es wird etwas weniger gekalauert, aber genug für die Freunde des frontalen Humors

So vieles passt nicht ins Bild in diesem Tatort "Rhythm and Love" von Elke Schuch (Buch) und Brigitte Maria Bertele (Regie). Freunde des frontalen Schwagerhumors werden weiter bedient, man will ja keinen verschrecken, es wird aber weniger gekalauert als sonst. Die zweite Reihe tritt nach vorn, Forensik-Hiwi Haller (Christine Urspruch) und Polizei-Hiwi Schrader (Björn Meyer) dürfen diesmal mehr sein als nur der Boxsack ihrer Chefs, gestehen sich Fehltritte und liefern die Folie zur großen Frage dieser Folge: "Wie komme ich aus der Nummer wieder raus?" Thiel entwischt ein Zeuge, der den Mörder kennt. Boerne räsoniert wegen eines Plagiatsverfahrens gegen ihn über seine Fehlbarkeit, passiert ja auch im echten Leben, dass man sich erst aufplustert und dann herauslavieren muss.

Es geht ferner um Sexualmoral, um das Hinterfragen von Gewissheiten und Hierarchien. Und einen zweiten Toten gibt es auch noch. Viel Stoff für einen Tatort, das strengt selbst Thiele und Boerne an. Und so kippen sie in seltener Eintracht Rotwein im Seziersaal, irgendwann direkt aus der Pulle, sie tragen dabei lilafarbene Tücher um die Schultern, die aussehen wie Messgewänder in der liturgischen Farbe der Bußzeit. Zeit für Boerne, über den Dunning-Kruger-Effekt zu referieren, der ungefähr das besagt: Wer doof ist, ist zu doof zu merken, dass er doof ist, und hält sich darum für besonders schlau. Kommt ja vor.

Thrill bis in die Haarspitzen ist das alles nicht, aber ein gut gemachter Krimi, in dem die übliche Typenparade in Münster aufgebrochen wird. Allein dafür lohnt er sich schon.

Wiederholung des Tatorts von 2021: Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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