Süddeutsche Zeitung

"Tatort" aus Ludwigshafen:Ein zu gewaltiges Thema für einen mittelmäßigen Sonntagabend-Krimi

  • Der "Tatort" kommt an diesem Sonntag aus Ludwigshafen.
  • Das übergeordnete Thema von "Vom Himmel hoch" ist der Einsatz von Kampfdrohnen.
  • Leider verhebt sich der Film bei diesem hochkomplexen Stoff.

Von Holger Gertz

Im Tatort wird immer sehr viel Kaffee getrunken, aber manchmal kann man erkennen, dass in den Tassen oder Pappbechern gar nichts drin ist, kein Tropfen. Da hat dann der Tatort-Requisiteur mal wieder nicht richtig aufgepasst.

Um solche Irritationen gar nicht erst aufkommen zu lassen, wirft in der SWR-Episode "Vom Himmel hoch" die Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) eine wahrhaftige und hochmoderne Kaffeemaschine an - ein Moment der Klarheit in einem Krimi, der sich sonst verzettelt im Graubereich zwischen Dramatik und Betulichkeit, zwischen Bodenständigkeit und Übereifer. Bodenständig sind sie ja in Ludwigshafen, der Kriminaltechniker sagt: "Ich vermute, dass der Schlag von owwe kumme is", die Sekretärin erwähnt am Telefon "een wichtische Auftraach" - kurz darauf macht sie dann erstmal Kaffee. Die Ermittlerinnen Odenthal und Johanna Stern (Lisa Bitter) sind sich von Herzen zugetan, auch diese Nähe kommt überraschend, aber was die Figurenentwicklung angeht, ist der Tatort traditionell für jede Überraschung gut.

In die alte und neue Wärme von Ludwigshafen mischt sich das übergeordnete Thema, der Einsatz von Kampfdrohnen. Ein Psychiater ist getötet worden, zu seinen Patienten zählten traumatisierte zivile Kriegsopfer, aber auch traumatisierte Militärs: die amerikanische Air Base Ramstein ist von Ludwigshafen ja nicht weit entfernt. Ein Politthriller sollte diese Geschichte von Regisseur und Autor Tom Bohn werden, eine Philosophie über die Nähe von Opfern und Tätern, ein Anti-Gewalt-Lehrstück über Drohnen in Terroristenhand und Drohnen vom Staat. "Vom Himmel hoch" kommt im Advent jedenfalls nichts Vorweihnachtliches. Aber, so ist es oft bei hochkomplexen Stoffen: der Tatort verhebt sich. Hineingeschnittene Kriegsszenen wirken anmaßend, dass Thema ist zu groß, zu gewaltig für einen mittelmäßigen Sonntagabend-Krimi. Es wird wahnsinning viel geredet, aber regelmäßig strandet man in Binsenweisheiten: "Der Krieg ist pervers." Die US-Soldaten in ihren düsteren War Rooms sind in der Mehrheit Klischeefiguren, und der zwielichtige Oberstaatsanwalt Benninger (Max Tidof) ist, mit seinem Blick durch halbdunkle Brillengläser, so dermaßen überbetont zwielichtig, dass es quietscht.

Was man aber auf jeden Fall sagen kann über diesen Tatort: Die Kaffeefrage wird sehr überzeugend beantwortet.

ARD, Sonntag 20.15 Uhr

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Quelle:
SZ vom 08.12.2018/luch
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