Wunsch-"Tatort":Im Tal der tiefen Seufzer

Erster Wunsch-'Tatort' 'Wenn Frauen Austern essen'

Am Sonntagabend ist der "Tatort" mit dem Titel "Wenn Frauen Austern essen" noch einmal in der ARD zu sehen.

(Foto: BR/Bavaria Film/Erika Hauri/dpa/dpa)

Das Publikum durfte sich einen "Tatort" wünschen und München gewann: Die ARD zeigt einen Fall unter Bestseller-Autorinnen von 2003. Die Kritik von damals.

Von Arno Makowsky

Diese "Tatort"-Kritik ist am 11. Oktober 2003 in der Süddeutschen Zeitung erschienen. Aufgrund der Wahl des Films zum Wunsch-"Tatort", der am 21. Juni noch einmal ausgestrahlt wird, veröffentlichet SZ.de sie hier erneut.

Schon wahr, Männer überkommt angesichts dieser Romane immer ein etwas flaues Gefühl: Beim nächsten Mann wird alles anders, Das Superweib, Suche impotenten Mann fürs Leben. Man will den Autorinnen so genannter Frauenliteratur ja nicht direkt vorwerfen, dass sie aktiv an der Abschaffung des Mannes arbeiten, aber irgendwie suspekt ist doch, wie die Hera Linds und Gaby Hauptmanns ihre männlichen Mitbürger auf wahlweise idiotische Sexprotze oder superliebe Kuschelschlaffis reduzieren. Anders gesagt: Man ist nicht wirklich neidisch auf Udo Wachtveitl, Miroslav Nemec und Michael Fitz, wenn sie als Münchner Kriminaler im Milieu der erfolgreichen Bestseller-Autorinnen ermitteln müssen. Besonderes Mitgefühl gilt dem wackeren Fitz, den eine Powerfrau gleich bei der ersten Befragung so kess in den Hintern kneift, dass der Kerl tagelang von Schmerzen geplagt wird.

"Wenn Frauen Austern essen": Passend zum Bücherherbst siedelt der Bayerische Rundfunk seinen 35. Tatort mit dem Charmebolzen-Duo Nemec/Wachtveitl in der Welt der gewinnbringenden Kitschliteratur an. Genauer gesagt: in der gestylten Wohnung einer wichtigen Literaturagentin (Doris Schade), in der sich die Verfasserinnen schauriger Werke wie Im Tal der tiefen Seufzer treffen. Man schlürft Austern, behandelt sich branchenüblich fies, und am Ende des Abends ist eine der Dichterinnen hinüber. Vergiftet.

Welche der Damen ist dazu fähig? Jede, kein Zweifel. Schließlich spannt man sich gerne gegenseitig die Männer aus, demütigt Kolleginnen in Talkshows, hat lesbische Verhältnisse, kurz: Die Schriftstellerinnen benehmen sich genau so, wie sich das die Leser von Bild und Bunte wohl vorstellen müssen. Außerdem steht man in harter Konkurrenz um einen lukrativen Buchvertrag. Kein Wunder, dass den Kommissaren immer banger wird bei ihren Recherchen durch die Verstrickungen eines Frauen-Netzwerks, in dem die Männer bald nicht mehr so genau wissen, wo die Phantasie aufhört und die Realität beginnt.

Ein Krimi mit viel Interesse für die Abgründe einer schillernden Oberfläche

Autor Peter Probst spielt vergnügt mit den Klischees. Er trifft souverän den wichtigtuerischen, pseudointellektuellen, oft verletzenden Tonfall, wie er bei Literaturempfängen und Premierenpartys ja tatsächlich gepflegt wird. Und er spart nicht mit Selbstironie: Als Ehemann von Amelie Fried ist er mit Glanz und Elend eines Lebens an der Seite einer Erfolgsschriftstellerin bestens vertraut.

Regisseur Klaus Emmerich inszeniert diesen Tatort behutsam, ohne spektakuläre Szenen, er konzentriert sich auf die Charakterisierung der Frauen (von denen beispielsweise Ilse Biberti als Fernseh-Schreckschraube und Gilla Cremer als Heile-Welt-Tussi realen Vorbildern ziemlich nahe kommen). "Wenn Frauen Austern essen" ist ein artifizieller Krimi, ohne Action, aber mit viel Interesse für die Abgründe einer schillernden Oberfläche - die ironische Studie einer Kunstwelt, in der Männer, nun ja, nicht so wichtig sind.

Tatort, Sonntag, 20.15 Uhr, ARD

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