Süddeutsche Zeitung

Tatort aus Münster:Ära, wem Ära gebührt

Im Jubiläums-"Tatort" aus Münster erweisen sich Boerne und Thiel erneut als ziemlich beste Freunde. Erwartbar, aber auch ergreifend.

Von Holger Gertz

Dieser Fall hatte im Januar 2022 Premiere, das Erste wiederholt "Des Teufels langer Atem" am Sonntagabend.

Der Tatort aus Münster feiert mit dieser Folge sein doppeltes Jubiläum, vierzig Episoden, zwanzig Jahre. Um den Feiertag mit einem mittelwitzigen Wortspiel zu begehen: Ära, wem Ära gebührt. Auf ungefähr diesem Niveau hatten sich die Münsteraner zwischenzeitlich eingepegelt, nachdem sie die Sonderform des parodistischen Tatorts mal etabliert hatten. Kriminalhauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Professor Dr. Dr. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) waren Pioniere, sie waren aber zu Quotenclowns geworden, zu Schenkelklopfern, und irgendwann schien die ewige Nummer, Kabbelei und Liebe, überstrapaziert zu sein.

Vor ein paar Jahren haben sie alle Systeme noch mal neu gestartet mit der Folge "Limbus", in der der Rechtsgelehrte Boerne in der Vorhölle landete und vom alten Freund Thiel schließlich befreit wurde. Da mischte sich das gedachte Drama in die Komödie, und der Handlungsspielraum wurde - gern genommen im Tatort - ins Unterbewusste ausgeweitet. Funktionierte trotzdem, weil auch das Geisterwesen Boerne dem echten Boerne ähnelte, weil also die Münsteraner bei allem neuen Hang zur Übersinnlichkeit immer auch am Boden blieben.

Diesmal hat Thiel ein Problem und Boerne will ihn retten

So ähnlich ist es diesmal, mit vertauschten Rollen. Thiel hat womöglich jemanden erschossen, kann sich aber an nichts erinnern. Und Boerne ist der, der ihn retten will. Sind ja Best Friends, die beiden. Lassen sich nicht hängen. Mit diesen Gewohn- und Gewissheiten können sie nicht brechen in Münster - wobei damals beim in Not geratenen Boerne die Wirkkraft von Acetylcholin eine Rolle spielte, diesmal wirkt Burundanga, beim in Not geratenen Thiel. Das klingt zwar nach Brazuca, dem WM-Ball von 2014, hat aber nichts damit zu tun.

"Des Teufels langer Atem" von Francis Meletzky (Buch Thorsten Wettcke, Kamera Bella Halben) erzählt die Geschichte vom Filmriss Thiels mit nachfolgender Vollkatastrophe einerseits mit Rückblenden und Schattenbildern und sogar unter Zuhilfenahme eines Wildschweins. Und Boerne, Großmeister des Bodyshamings, trägt in seinen schwächeren Momenten zur Bodenhaftung der Story bei, indem er stockdämliche Altmännerwitze einstreut. Im Gegensatz zu anderen Tatorten allerdings, die sich in Traumsequenzen verlieren, kriegen sie in Münster die Kurve und knüpfen alle Storyzipfel zusammen, sogar die Geschichte des Wildschweins wird zu Ende erzählt. Wobei damals in "Limbus" die verstorbene Kollegin Krusenstern sehr würdevoll verabschiedet wurde, diesmal bleibt das Kommissariat intakt, als Zuflucht allerbester Freunde.

Boerne bringt in einem seiner besseren Momente die Dinge auf den sogenannten Punkt: "Ergreifende Rede, schöne Worte, hintenraus vielleicht bisschen dicke aufgetragen." Das gilt auch für diesen Tatort.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr

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