"Tatort" aus München:Ein schrecklich gewollter Jubiläums-"Tatort"

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Die Kinderpsychologin Jenschura (Anne Werner) berät sich mit den Ermittlern Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) im Tatort "Wir kriegen euch alle" (Foto: Hendrik Heiden/dpa)
  • An diesem Sonntag ist der 80. Tatort der Münchner Ermittler Batic & Leitmayr zu sehen.
  • Der Jubiläums-Fall "Wir kriegen euch alle" will ein bisschen anders und moderner sein.
  • Leider wirkt aber vieles in diesem Tatort wahnsinnig dick aufgetragen.

Von Katharina Riehl

Der Münchner Tatort feiert in dieser Woche also stattliche 80 gesendete Episoden, und aus diesem Anlass gibt der Kommissars-Jubilar Udo Wachtveitl auf der Website des Ersten Deutschen Fernsehens ein paar Gedanken zum Thema Routine zum Besten. Es gebe, so Wachtveitl, gute und schlechte Routine - und wichtig findet er natürlich, dass man, obwohl man sie hat, immer bereit bleibt, neu nachzudenken. Wer würde da schon widersprechen wollen, doch zu den Kernproblemen des deutschen Fernsehfilms gehört, dass der Wunsch nach neuem Nachdenken am Ende sehr oft aussieht wie dieser 80. Tatort der Münchner Ermittler Batic & Leitmayr.

Der Jubiläumsfall "Wir kriegen euch alle" (Regie: Sven Bohse; Buch: Michael Comtesse und Michael Proehl) will ein bisschen anders sein, ein bisschen moderner, ein klein wenig flippig vielleicht, und er beginnt mit einem sehr blutigen Mord in einem großzügig geschnittenen Münchner Einfamilienhaus. Einem wohlhabenden Ehepaar wird die Kehle durchgeschnitten, die kleine Tochter überlebt betäubt im Garten, schlafend in einem Schwebezelt. Fast von Beginn an weiß der Zuschauer, dass das nun verwaiste Kind von seinem Vater missbraucht wurde, und der Täter das Mädchen mit dem Mord sowohl rächen als auch retten wollte.

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Klassisch düsterer Tatort-Stoff eigentlich, Batic und Leitmayr ermitteln in einer Selbsthilfegruppe für erwachsene Missbrauchsopfer, aber all das unübersehbar verwoben mit dem dringenden Wunsch, aus dem Stoff kein Drama, sondern einen Thriller zu machen. "Einen Thriller, der auch noch einen doppelten Boden hat", verspricht die Redakteurin im Presseheft. Und so wird hier so tief in die Trickkiste des Genres gegriffen, dass man an manchen Stellen nicht mehr sicher ist, ob der 80. Fall am Ende vielleicht eigentlich doch mit einer Satire gefeiert werden sollte. Der Täter dringt maskiert als Weihnachtsmann in die Häuser der Kinder ein, die er nicht nur mit der Aussicht auf Geschenke, sondern auch mithilfe einer sprechenden Gruselpuppe namens Senta und unheimlicher Musicalmusik gefügig macht. Gekämpft wird mit Pfeil und Bogen, die letzten Szenen erinnern stark an Kill Bill, alles ist so wahnsinnig dick aufgetragen, so schrecklich gewollt. Auch der Vampir-Tatort an Halloween spielte mit Genre-Zitaten, aber er tat es konsequent und verblüffend unpeinlich. Dieser Tatort will im sehr schlecht zusammengenähten Kostüm eines hollywoodhaften Thrillers eine Geschichte über gefährliches digitales Spielzeug in Kinderzimmern erzählen.

Vieles stimmt nicht so recht an diesem Film, darunter auch viele Kleinigkeiten wie jene, dass in die meisten Münchner Haushalte gar nicht der Weihnachtsmann, sondern der Nikolaus und das Christkind kommen, und dass in Minute 24 ein halb volles Saftglas aus einer Hand übergeben wird, dann aber leer in der anderen Hand ankommt.

Die Kommissare Batic und Leitmayr sind in den vergangenen 27 Jahren in vielen ganz wunderbaren Filmen zu sehen gewesen und in einigen ziemlich fürchterlichen. Der 80. Tatort aus München gehört zu den ziemlich fürchterlichen. Klarer Fall von schlechter Routine.

© SZ vom 01.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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