Süddeutsche Zeitung

Tatort Luzern: "Verfolgt":Dieser Wikiliki-Scheiß

Kommissar Flückiger ermittelt in Sachen Steuerdaten - leider fragt er dabei wie Lena Odenthal. Das Oberthema ist relevant, hat für einen Schweizer Tatort erstaunliches Tempo, ist aber vor allem eins: ärgerlich.

Von Holger Gertz

Dieser Tatort ist zu gleichen Teilen erstaunlich und ärgerlich. Erstaunlich ist das Tempo, das ausgerechnet die unter Bräsigkeitsverdacht stehenden Schweizer vorgeben. Ein Mensch im Anzug rennt durch Luzern, er scheint auf der Flucht zu sein, er schaut sich um, das Ganze unterlegt vom Wummern geheimnisvoller Bässe. Der Mann wird in Schlägereien verwickelt, eine halbe Stunde lang keucht er und atmet schwer und rennt. Das weiße Hemd hängt ihm aus der Hose. Die Episode "Verfolgt" von Tobis Ineichen trägt ihren Namen hier zu Recht, der Mann betritt und verlässt Stätten des Grauens, das Zahnarztzentrum zum Beispiel.

Ärgerlich ist, dass die Schweizer den Bildern nicht vertrauen. Die Jagd nach dem geheimnisvollen Flüchtigen, der eines Mordes verdächtig ist, wird begleitet von den ewigen Fragen des Kommissars Flückiger, er arbeitet den telefonbuchdicken Fragenkatalog sämtlicher Krimis vergangener Dekaden ab, aus Flückiger spricht Derrick, der Alte und - besonders ärgerlich - Lena Odenthal. "Ist Ihnen irgendetwas aufgefallen, war er anders als sonst?" "Wo könnte Ihr Mann jetzt sein?" "Wo sind Sie heute morgen zwischen sieben und neun gewesen?" "Ist Ihnen irgendwas aufgefallen?"

Zusammengezimmerte Karikatur eines Chefs

Das Oberthema ist relevant: Der geheimnisvolle Mann ist IT-Chef bei einer Luzerner Privatbank und hat Steuerdaten an sich gebracht, er hat auch einen Vertrauensmann bei der Steuerfahndung in Wuppertal. Er ist Aufklärer, aber auch Verräter; er ist Straftäter, der die größere Straftat verhindern will. Deutsch-Schweizer Steuergeschichten sind die Vorlage, Offshore und Snowden. "Hören Sie doch auf mit diesem Wikiliki-Scheiß", sagt Flückiger, der mit der Einordnung des Themas überfordert ist, wie viele Menschen da draußen.

Ärgerlich ist die Darstellung des Regierungsrats Mattmann, Chef der Luzerner Ermittler. Mattmann ist immer mit den Mächtigen, Mattmann maßregelt und intrigiert, Mattmann ist die aus schwerstem Holz zusammengezimmerte Karikatur eines Chefs. Weil es keinen inneren Zusammenhang zwischen den Schweizer Episoden gibt und keine Entwicklung, muss Flückiger sich in jeder Folge aufs Neue an Mattmann abarbeiten. Flückiger ist der Sisyphos unter den Ermittlern, Mattmann ist der Felsblock unter den Vorgesetzten.

Manches im Leben ändert sich nie.

ARD, Sonntag 20.15 Uhr.

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SZ vom 06.09.2014/tgl
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