Süddeutsche Zeitung

"Tatort" aus Wien:Wühlen im Dreck der Welt

  • Der neue "Tatort" kommt an diesem Sonntag aus Wien.
  • In "Wahre Lügen" ermitteln Bibi Fellner und Moritz Eisner im mysteriösen Todesfall eines österreichischen Ministers.
  • Das Problem an diesem Krimi ist allerdings seine Erwartbarkeit.

Von Holger Gertz

Ziemlich genau in der Mitte dieses Wiener Abenteuers bringt die Majorin Bibi Fellner ihren Kollegen Moritz Eisner auf den neuesten Stand. Sie wischt dabei auf einer an die Wand projizierten Fahndungswand herum, schiebt Gesichter und Verdächtige herum, malt Pfeile, setzt Kringel. Sieht genauso aus wie in der Halbzeitpause beim Fußball, wenn die Experten auf der Taktiktafel noch mal Laufwege und Passfolgen sichtbar werden lassen, damit der Zuschauer versteht, was ihm während der Partie entgangen ist.

Diese Zwischenanalyse in "Wahre Lügen" (Buch und Regie: Thomas Roth) ist angebracht, wie oft in Wien reichen die Wurzeln einer Tat scheinbar bis in die sogenannten höchsten Kreise. Eine Journalistin ist erschossen und im Wolfgangsee versenkt worden. "Das Hauptproblem bei unserer Gschicht ist das Motiv", sagt Eisner (Harald Krassnitzer) zur Kollegin Fellner (Adele Neuhauser), aber das ist nur so halbrichtig, denn das Hauptproblem bei dieser Gschicht ist die Erwartbarkeit. Da gibt es den Finsterling mit seinem erwartbar eingefrorenen Finsterlingsgesicht. Da gibt es den Chefredakteur einer Boulevardzeitung, erwartbar schmierlappig und skrupellos. Die Journalistenfiguren im Tatort sind grundsätzlich Klischeegestalten, allerdings werden sie hier noch getoppt durch zwei Strategen aus der Generaldirektion für innere Sicherheit, die die Fahnderei stoppen wollen, weil dadurch auch die Hintergründe des mysteriösen (und realen) Todesfalls eines österreichischen Ministers aufgewirbelt werden könnten.

Eisner und Fellner bespielen in ihren Filmen Bühnen unterschiedlichen Zuschnitts. Manchmal bewegen sie sich im überschaubaren Milieu der Kleinganoven vor der Haustür. Manchmal wird nicht nur im Wiener Dreck gewühlt, sondern im Dreck der Welt: Bestechlichkeit, Waffenhandel, Geldwäsche und internationale Bandenkriminalität. Die Ermittler nehmen die Verbrechen, wie sie kommen, aber die kleineren Fälle waren zuletzt berührender. In diesem Tatort wird wahnsinnig viel geredet, ewig werden Fahndungszwischenstände referiert. Es ist die 20. Episode mit Neuhauser und Krassnitzer, deren Popularität auf einem sonntagabendtauglichen Prinzip beruht: Moral schlägt Unmoral. Zwei gute Menschen bekämpfen das Böse, und am Ende gewinnen die Guten. Sie gewinnen sogar gegen ihre inneren Teufelchen. Das schafft einerseits ein Gefühl der Heimeligkeit. Andererseits: Auch Wärme kann irgendwann erwartbar werden.

ARD, Sonntag 20.15 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 12.01.2019/luch
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