Tatort-Kolumne:Jeder jagt jeden im Stuttgarter "Tatort"

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Kommissar Lannert spürt, dass er vom Rächer zum Komplizen werden muss, um Schlimmstes zu verhindern. Ach, wäre das nur sein einziges Problem! (Foto: SWR/Johannes Krieg)

Der "Tatort" aus Stuttgart will das Thema Flüchtlinge zu einem Thriller machen. Aber leider werden zu viele Stränge gesponnen.

TV-Kritik von Holger Gertz

Duelle zweier Kämpfer gehören zum Repertoire besserer Sonntagabendkrimis. Die großen Fights der jüngeren Vergangenheit waren, und zur Einordnung seien die Namen der Schauspieler genannt: Milberg vs. Eidinger I, Milberg vs. Eidinger II, außerdem Król vs. Rohde. Im Tatort "Im gelobten Land" vom SWR tritt jetzt der Kommissar Lannert (Richy Müller) gegen den Drogendealer und Schleuser Milan Kostic (Sascha Alexander Geršak) an. In einem Lkw sind 23 Flüchtlinge erstickt, es stellt sich heraus, dass Lannert ihren Tod hätte verhindern können, wenn er ein paar Minuten schneller reagiert hätte.

Das ist der innere Anlass für das Duell: Der Verbrecher hat dem Kommissar schwere Schuld aufgeladen, jetzt will der Kommissar den Verbrecher stellen, um weitere Seelen zu retten. Und ein bisschen auch sich selbst.

Hier tickt ein Countdown, dort schon der nächste

Die Episode von Züli Aladag (Buch Christian Jeltsch) greift das brennendste Thema auf, das man sich vorstellen kann, Refugees in ihrer Not. Aber im Bemühen, das Sozialthema zum Thriller zu verdichten, werden zu viele Stränge gesponnen. Der Kommissar jagt den Schleuser. Der Schleuser quält eine Afrikanerin. Die Afrikanerin hat Angst um ihre Familie. Die Schwester des Schleusers füttert das Schuldgefühl im Kommissar. Der Kommissar spürt, dass er vom Rächer zum Komplizen werden muss, um Schlimmstes zu verhindern.

In einem Flüchtlingsheim treffen alle aufeinander, und während auch noch die Frage abgearbeitet wird, ob Schleuser nicht in Wahrheit Retter sind, tastet sich das SEK Stockwerk für Stockwerk zu ihnen vor. Hier tickt ein Countdown runter, dort schon der nächste. Ein rätselhafter Fremder tritt aus den Kulissen. Viel symbolisch angehauchtes Blut an Händen, zu wenig Stille. Zwischen all dem verliert sich der Zweikampf Lannert vs. Kostic. Was auch daran liegt, dass hier eben nicht Milberg und Eidinger gegeneinander kämpfen.

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So ist es im Tatort ein bisschen wie beim Boxen, die legendärsten Fights liegen länger zurück. Der Essener Kommissar Haferkamp (Hansjörg Felmy) war einer, bei dem die Fälle oft zu Duellen gerieten, er kämpfte mit der leisen Kraft der Melancholie, er kämpfte zur Not auch gegen Mann und Frau. In "Die Abrechnung" von 1975 gegen Romuald Pekny und Maria Schell; in "Drei Schlingen" von 1977 gegen Traugott Buhre. Diese Kämpfe waren Ereignisse, und diese Schauspieler waren Giganten.

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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