Süddeutsche Zeitung

Tatort-Kolumne: Folge 16:Leben zerrinnt

Der Tatort aus Österreich: eine schlecht verleimte Geschichte, in der die Attitüden von Inspektor Eisner und seiner Assistentin Bibi endlos zerdehnt werden. Dabei war die Premiere der beiden Ermittler so schön. Schade!

Alexander Gorkow

Neunzig Minuten Leben muss man sich herzuschenken trauen, man kriegt die Zeit nicht zurück. Also sollte man sich diesen Tatort aus Wien nicht anschauen. Nachdem die Premiere von Adele Neuhauser an der Seite von Harald Krassnitzer vor einigen Monaten schön war, dehnt der zweite Fall die Attitüden seiner Helden ins Endlose - die burschikose street credibility der Assistentin Bibi ebenso wie den Nikotinverzicht und die Diät von Inspektor Eisner. Der muss hier nun so oft essenden und rauchenden Menschen gegenüberstehen, dass man es sogar sehr, sehr oft sieht, wenn man zwischendurch mal eingenickt ist.

Die schlecht verleimte Geschichte handelt von bulgarischen Kriminellen, von Toten, die nackt im Einkaufswagen hocken. Nur eine bezeichnende Szene: Bibi und Eisner kommen am Tatort an. Ein Hiwi des Inspektors zieht plötzlich Geldbörse und Klamotten des Ermordeten aus der neben dem Opfer stehenden Mülltonne, in die zuvor also tatsächlich keiner der dort lange schon herumstehenden Polizisten reingeguckt hat. Der Hiwi fasst seine eigene Kombinierungsgabe nicht und grinst wie Wickie. Geht's blöder? Egal, so ist es blöd genug.

Man lässt ein gerade liebgewonnenes Duo in einer schwachen Geschichte von beiden Seiten anbrennen. Wer keinen Tatort verpassen will, dessen Lebenszeit zerrinnt am Sonntag auf sinnlose Art und Weise.

Sonntag, ARD, 20.15 Uhr.

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Quelle:
Süddeutsche Zeitung vom 28.5.2011/beitz
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