"Tatort"-Wiederholung aus Münster:Es lebe der alte Mann

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Anprobe in der Rechtsmedizin: Silke Haller (Christine Urspruch) hilft Professor Boerne (Jan Josef Liefers) dabei, die Ritterrüstung anzulegen. Ist das noch seriös? (Foto: Thomas Kost/dpa)

Boerne und Thiel müssen den Tod eines Burgherren aufklären. Die Ermittler aus Münster wirken gegenüber der Familie des Toten ziemlich normal - was ja schon was heißen will.

Von Theresa Hein

Diese Rezension wurde zur Erstausstrahlung des Tatorts am 13. Dezember 2020 veröffentlicht. Nun wird der Fall im Ersten wiederholt, weswegen wir den Text erneut publizieren.

Auch der Tatort kann nicht immer jung bleiben, dieses Jahr ist er 50 geworden, und damit in das Alter vorgerückt, das ihm bei dem berühmten Helmut Dietl den Beinamen "ernsthafter älterer Herr" eingebracht hätte. Der ernsthafte ältere Herr Tatort wird wiederum begleitet von ernsthaften, älteren Herren, darunter die Ermittler Thiel und Boerne, immerhin seit 18 Jahren im Dienst und heißgeliebt von ihren Fans. Experimentierfreude sucht man in den Münsteraner Fällen schon lange vergeblich. Und auch in "Es lebe der König" lässt Regisseurin Buket Alakuş die Kommissare Frank Thiel (Axel Prahl) und Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) in gewohnter Kabbel-Manier den nächsten Fall aufklären.

Der ist immerhin minimal exzentrisch. Manfred Radtke, ein ehemaliger Schausteller, hat sich auf seine alten Tage ein Wasserschloss angeschafft, das zur Eventlocation umgebaut werden soll: Ritterspiele, Folterkeller, der ganze Kram. Leider kommt Radtke der Burggraben dazwischen und er schwimmt kurz vor seinem 70. Geburtstag tot im Wasser. Das war, Vermutung von Thiel, natürlich kein Zufall, also, weder das mit dem Wasser, noch das mit der Ritterrüstung. In einer Schlüsselszene streift Boerne sich kurzerhand selbst die Rüstung über - eine Tatsache, die er übrigens gerne auf "Selfie" festhalten will. Wobei der Forensikprofessor seine Kollegin um ein Foto bittet und damit ganz offensichtlich das Prinzip "Selfie" nicht verstanden hat. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war's das dann mit der Ernsthaftigkeit der Herren. Dazu läuft Michael Jackson.

Mit der Zeit kommt - neben einer Menge leider nicht sehr subtiler und deshalb ermüdender Hintergrundvermittlung von Münsteraner Geschichte - heraus, dass der alte Radtke Geld- und Gesundheitsprobleme hatte. Seine Familie will dann trotz allem zu Ehren des Toten an dessen 70. Geburtstagsfest samt Ritterspielen festhalten wie geplant. Das ist, im Großen und Ganzen, natürlich alles etwas schräg. Aber auch sehr zum Vorteil des Quartetts aus Thiel, Boerne, Silke Haller (Christine Urspruch) und Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann). Die vier wirken angesichts der bestrumpfhosten Familie Radtke, die so auf ihre Mittelalterinszenierung abfährt, nämlich ziemlich normal. Und das ist vielleicht die eigentliche Leistung dieses Tatorts.

Tatort , Sonntag, ARD, 20.15 Uhr

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