Süddeutsche Zeitung

Tatort aus Frankfurt:Schwarzenegger auf Fliegenpilz

Die Frankfurter "Tatort"-Episode "Leben Tod Ekstase" ist ein Festspiel für Martin Wuttke als Psycho-Guru mit besonderen Filmvorlieben.

Von Claudia Tieschky

Tatorte vom HR gehören zu den mit Abstand besseren dieser Welt, man denke an den großartigen "Murot und das Gesetz des Karma" zuletzt; aber auch das Frankfurter Ermittlerteam Janneke und Brix (Margarita Broich/Wolfram Koch) arbeitet verlässlich am normalen Fernsehgrauen vorbei. In der Episode "Leben Tod Ekstase" müssen sie öfter das Geschehen erden, es geht um Höheres. In der Villa des Psycholyse-Doktors Adrian Goser ist mit bewusstseinserweiternden Substanzen etwas gewaltig schiefgegangen, außer dem exzentrischen Chef sind alle tot, einer hat sich im Rausch den Penis abgeschnitten, die Kamera schwenkt bei der Gelegenheit kurz auf den riesigen Blauwal-Penis, der in der Villa ausgestellt ist und später noch eine Rolle spielen wird. Man kann wirklich nicht sagen, dass hier Drogen verherrlicht werden.

Janneke, die Ahnung hat, erklärt also Brix in der Kneipe den Begriff Psycholoyse ("Form der Psychotherapie, aber mit psychedelischen Drogen") und dass das Urchristentum auf Psychedelischem beruhen könnte: "Jesus war der Begründer eines ekstatischen Pilzkults", witzelt sie beim Pils. Wenn sie am Tatort sagt: "Ich kenne übrigens den Besitzer dieses Hauses", dann ist das auch hübsch, denn Goser wird von Martin Wuttke gespielt und - so viel Bunte muss sein - die Schauspieler Broich und Wuttke waren lange ein Paar.

Und damit zu Adrian Goser, der in seinem Hauptwerk "Leben Tod Ekstase" Sätze schreibt wie: "Wenn du stirbst, bevor du stirbst, stirbst du nicht, wenn du stirbst." Da möchte man gleich weitermachen mit "In Ulm und um Ulm und um Ulm herum", aber Goser hat auch noch ein Kinderbuch "Fang mit mir den Fliegenpilz" geschrieben und eine irritierend intime Kenntnis des Werks von Arnold Schwarzenegger "von seinen mystischen Anfängen mit Conan bis hin zur metareferenziellen Erfüllung des Selbst in Last Action Hero".

Wuttke macht die Episode unvergesslich und Guru Goser zu einer großen gescheiterten Diva - müde, seelenvoll, angeekelt, verspielt - er schenkt dem Tatort nebenher eine herrliche Wutrede, reines Theater. Eine gute Stunde lang ist "Leben Tod Ekstase" (Regie Nikias Chryssos, Drehbuch Michael Comtesse/Nikias Chryssos, Kamera Jonas Schneider) richtig toll. Und dann wird es irgendwie immer länger. "Das Klavier muss überwunden werden!", ruft jemand, später muss dann die "aztekische Todespfeife überwunden werden", da wünscht man sich schon nur noch, dass der verlaufene Showdown überwunden wäre. Daheim würde der Mann auf dem Sofa sagen: 70 Minuten Zucker, 20 Minuten Frankfurt gegen Bochum.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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