Süddeutsche Zeitung

"Tatort" aus Frankfurt:Es tropft überall

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Der neue Frankfurter "Tatort" ist ein Unwohlfühlfilm, gleichzeitig lustig und total verrückt. Und dann wäre da noch die herrliche Hannelore Elsner in einer ihrer letzten Rollen.

Von Claudia Tieschky

Dieser Tatort aus Frankfurt ist auch eine Hommage an Hannelore Elsner, die vor einem Jahr gestorben ist. Sie war ja mal als Lea Sommer eine der ersten deutschen TV-Kommissarinnen, auch in Frankfurt. Jetzt spielt sie in einer ihrer letzten Rollen die pensionierte Ermittlerin Elsa Bronski, mit dieser herrlichen, manchmal leicht schnippischen Eleganz, die dem Spiel der Elsner eigen war. Elsa Bronski ist eine Dame in schwarzen Sneakers, die in einem schwer surrealen Büro zwischen Pfützen im Parkgaragenkeller ihre ungelösten Fälle durchgeht.

Vielleicht ist Elsa Bronski auch nur ein Gespenst, der ruhelose Geist der Polizeiarbeit. Denn genau darum geht es hier.

Das Kommissariat fällt auseinander in dieser Episode. Es tropft nicht nur im Parkhaus, es tropft überall, es wird generalsaniert, alles eingelagert. Schwer zu sagen, ob in dieser Ruine Ermittlungen wirklich stattfinden oder ob die Existenz dieser Institution wie bei Kafkas " Prozess" erst mal nur behauptet wird.

Der Täter aber, der den davongekommenen Vergewaltiger seiner Frau tötete und sich gleich zu Anfang stellt, ist ein Kollege - und er will unbedingt als Mörder voll bestraft werden. "Ich bin Polizist. Ich will gewinnen. Ich will, dass irgendwas funktioniert!" brüllt er. Janneke (Margarita Broich) und Brix (Wolfram Koch) legen ihm dagegen nahe, dass es Affekt war. Der Zuschauer wird herausgefordert. Er sieht Mitgefühl. Und Selbstjustiz.

Wie soll sie denn da ihr Coaching abhalten, fragt die Coachin, die eine weitere, irrwitzige Figur in der Ruine ist und in deren Videokamera jeder hineinsagen soll, was Polizeiarbeit für ihn bedeutet.

"Die Guten und die Bösen" (Regie Petra K. Wagner, Buch David Ungureit) will es genau wissen: Ob an diese Arbeit hier in der Ruine auch bitte alle immer ausnahmslos glauben. Ein Unwohlfühlfilm. Aber Broich kann ihre Janneke mit einem halben Gesichtsmuskel umschlagen lassen von tiefem Ernst zu größtem Unsinn und Brix in alles mit reinziehen. So führt ein vergessenes Kantinenwägelchen ins hemmungslose Saufgelage mit Rammstein-Karaoke.

Die plakative moralische Herangehensweise würde einem schrecklich auf die Nerven gehen, wenn dieser Film nicht gleichzeitig lustig und total verrückt wäre. Wie zwei Geschmäcker, die man noch nie gleichzeitig im Mund hatte.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr

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Quelle:
SZ vom 18.04.2020
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