Tatort Frankfurt:Bei diesem "Tatort" wünscht man sich Ohrenschützer

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Big Data ist mal wieder das Thema, wie neulich in Bremen und Stuttgart. (Foto: HR/Degeto/Bettina Müller)

Denn dann könnte man die Nummernrevue aus Frankfurt über die Gefahren des Internets und die Verlorenheit des Menschen besser ertragen.

TV-Kritik von Holger Gertz

In diesem Frankfurter Tatort werden zahlreiche Tiere aufgeboten, die Schildkröte, die Schleiereule, die Hummel, die Taube, die Katze sowie zwei Möpse, von denen einer offenbar erkältet ist. Der Mops niest, die Katze - tiefgefroren - ist schon einen Schritt weiter. Die Tierwelt ist aus den Fugen, die Welt der Menschen aber hat sich bereits komplett aufgelöst. In einer edlen Wohnsiedlung leben lauter Gestörte in ihren Luxusbungalows, wunderliche Alte belauern sich, und auch die serienmäßig mitgelieferte Komik eines Laubsaugers kommt zum Einsatz.

Der Gestörteste der Gestörten heißt Nils Engels (Jan Krauter), er sitzt in einem vollvernetzten War Room und observiert die Welt, die ihn umgibt. Er dreht den Strom auf, wenn sich jemand nähert, er erzeugt sehr hohe Töne, weshalb jeder Schäferhund in Engels' Nähe sich besser Ohrenschützer überzieht. Als Groteske über eine Welt, in der der Nachbar des Nachbarn schlimmster Feind ist, funktioniert "Der Wendehammer" von Regisseur Marcus Imboden (Buch: Stephan Brüggenthies und Andrea Heller) eine Zeit lang. Aber dann driftet die Handlung ab, das Stück wird zu einer schwer durchschaubaren Melange aus Nummernrevue und Drama über die Verlorenheit des Menschen in der vernetzten Welt. Big Data ist mal wieder das Thema, wie neulich in Bremen und Stuttgart, die Frankfurter mischen jetzt etwas Münsteraner Humor unter, heraus kommt Brei.

Kommissar Brix (Wolfram Koch) nähert sich dem Cyber-Phänomen mit der Ratlosigkeit sämtlicher Tatort-Kommissare. "Wir werden alle gesteuert. Der Internetgott hat uns alle in der Hand." Der Internetgott sorgt dafür, dass blinzelnde Augen verdächtig scannende Geräusche machen. Länger vermisste Menschen tauchen rätselhafterweise wieder auf, etwa in einem Zen-Kloster im Taunus. Mikrochips werden aus Unterarmen geschnitten. Der Internetgott verhindert nicht mal, dass aus Übersee ein junger IT-Checker zugeschaltet wird, der einen so abenteuerlich künstlichen amerikanischen Akzent hat, dass man sich dringend Ohrenschützer wünschen würde, aber die trägt ja der Schäferhund und rückt sie nicht mehr raus. Kluges, kluges Tier.

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

© SZ vom 17.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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