Süddeutsche Zeitung

"Tatort" aus Dresden:Unerbittlich und unerreichbar

Im Dresdner Fall "Katz und Maus" versteigt sich ein Vater in Verschwörungsmythen. Ein aufregender Thriller, der ein Kernphänomen der Gegenwart trifft.

Von Holger Gertz

Dieser Tatort aus Dresden ist das Porträt eines Verlorengegangenen. Michael Sobotta (Hans Löw) hat mit seinen cholerischen Ausbrüchen seine Frau in die Flucht geschlagen und auch seine Tochter Zoe. Die hat er in flagranti mit ihrem Freund erwischt und den Burschen dann verprügelt - mehr kann ein Vater nicht tun, um das Verhältnis zu seiner Tochter endgültig und vorsätzlich in Trümmer zu legen. Aber Sobotta hat sich eingeredet, dass die junge Frau gar nicht seinetwegen abgehauen ist - nein, in die Hände von Kinderfängern sei sie geraten. Eine Verschwörungserzählung, natürlich - aber indem ein schwer strauchelnder Mann wie Sobotta sich in seine Schicksalskonstruktion flüchtet, kann er sich selbst vom eigenen Scheitern und Versagen ablenken. Nicht zugeben, wie sehr man selber drinsteckt - darum geht es.

Sobotta also - seine Unerbittlichkeit wird von Löw wunderbar auf den Punkt gespielt - entführt erst eine Boulevardjournalistin und dann auch den Dresdner Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach). Beide sollen bezahlen dafür, dass sie mit den Politikern unter einer Decke stecken und alle zusammen nichts tun gegen Kinderporno-Ringe, im Gegenteil: "Meinen Quellen zufolge gab es dicke Pannen bei der Ermittlungsarbeit, die mich fragen lassen: Hat die Polizei hier wirklich ihren Job gemacht? Wurden die Fehler vielleicht sogar absichtlich begangen? Was verheimlicht die Dresdner Polizei?"

Während die Ermittlerinnen Gorniak (Karin Hanczewski) und Winkler (Cornelia Gröschel) unter Hockdruck arbeiten, ein Countdown tickt schließlich permanent runter, reden Sobotta und Schnabel aneinander vorbei. "Sie arbeiten für einen Polizeiapparat, der sich gegen das eigene Volk stellt", sagt voller Überzeugung der Verschwörungsgläubige Sobotta. Und der Beamte Schnabel, voller Rat- und auch Fassungslosigkeit: "Das ist Blödsinn, was Sie da reden. Wo haben Sie denn diesen Quatsch her? Das ist Quatsch, das ist Schwachsinn: Hören Sie das denn nicht?" Ein aufregender und sehenswerter Thriller ist "Katz und Maus" (Regie: Gregory Kirchhoff; Buch: Jan Cronauer und Stefanie Veith; Kamera: Dino von Wintersdorff), viel Tempo, beeindruckender Look. Und inhaltlich vor allem ein Kernphänomen der irritierenden Gegenwart immer im Blick: Wie unerreichbar Teile der Gesellschaft längst geworden sind.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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