"Zorn" ist im Repertoire des Einsilbigen eines der besten Wörter und passt als Titel zu diesem Tatort aus Dortmund, der beginnt, als Reden nicht mehr hilft. So sehen es einige, mit denen es die Ermittler Faber (Jörg Hartmann) und Bönisch (Anna Schudt) zu tun bekommen.
Ein Mann ist erschossen worden, der eben noch "Schicht im Schacht"-Plakate über optimistische Slogans für das Ruhrgebiet ("In eine neue Zukunft!") klebte. Man stellt sich vor, dass es in der Redaktion hieß: Wir brauchen was zum Ende der Steinkohle, arbeitslose Kumpels, Ewigkeitsschäden, ist doch Dortmund-Tatort. So etwas steht in bester gesellschaftspolitischer Tatort-Tradition, geht aber gern sehr schief. Vor allem, wenn dann noch ein vom Verfassungsschutz angeworbener sogenannter Reichsbürger dabei ist. Er wird gerade ein Dauergast im Sonntagskrimi, der "Reichsbürger".
Aber dieser Tatort beweist: Das geht, das geht sogar sehr gut. Und dabei ist er keinesfalls "irgendein ,Kunstwerk' eines ,abgedrehten' Regisseurs und/ oder Drehbuchautors", wie ein Leser kürzlich genervt schrieb und mit dem Aufruf schloss: "Es lebe der schlichte Krimi."
Die Folge spielt sich über weite Teile in Industriebrachen, absackenden Zechensiedlungen und ebensolchen menschlichen Beziehungen ab und ist trotzdem ein Prunk-Tatort. Sie glänzt in einem harten Licht. Jemand hat hier sehr gründlich übers handwerklich Elementare nachgedacht, über Landschaft und darüber, dass nicht ständig gequatscht werden muss, sondern dass sich um Sätze, Bewegungen, sogar um Zorn herum auch mal Stille gut macht (Buch von Jürgen Werner, Regie Andreas Herzog, Kamera Wolfgang Aichholzer).
Das Dortmunder Kommissariat ist ja mit den jungen Kollegen Dalay und Pawlak (Aylin Tezel und Rick Okon) inzwischen ein hübsch-hässliches Nest für vier Einzelgänger. Ausgerechnet Faber, der früher immer Dinge zerhauen hat, passt diesmal auf, dass nichts passiert - schon aus Aufsässigkeit gegen Dr. Klarissa Gallwitz (Bibiana Beglau) vom Verfassungsschutz, der es gelegen käme, wenn ihr verbarrikadierter "Reichsbürger" Keller (Götz Schubert) vom Einsatzkommando gleich aus der Welt geschafft würde. Wie sich Jörg Hartmann und Bibiana Beglau wegen Keller belauern, ist großartig, zwei Dämonen, die um die arme Seele ringen. Allerdings würde man diesen Schauspielern auch beim Bällewerfen hingerissen zuschauen. "Zorn" endet mit einer sensationellen Deeskalation. Anschauen!
Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.