Süddeutsche Zeitung

Tatort aus Berlin:Ciao, Nina Rubin

Leben auf den Punkt bringen: eine letzte, furiose Tatort-Episode mit dem Ermittlerduo Meret Becker und Mark Waschke.

Von Holger Gertz

In diesem Tatort aus Berlin, dem letzten mit Nina Rubin, werden mehrere Sätze von großer Wahrhaftigkeit gelassen ausgesprochen. Unter anderem dieser hier, von der Kriminalkommissarin persönlich: "In dem Moment, wo man eine Beziehung eingeht, startet das Wettrennen, wer hier mit heiler Haut rauskommt."

So geht das: Leben auf den Punkt bringen. Das haben die Ermittler Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) in ihrer siebenjährigen Dienstzeit immer gemacht, das Leben war verrucht im manchmal überlebensgroß wirkenden Berlin. War lustvoll, verzweifelt, schmutzig und traurig; war schimmernd und rauschhaft. Am Anfang drehte sich viel um die Exzesse im Alltag der Kommissare, später entwickelten sich einzelne Episoden zu klischeefreien Sozialreportagen, zum Beispiel über die Exzesse auf dem Wohnungsmarkt. Und alles getragen von den herausragend unangestrengt spielenden Becker und Waschke. Eine Bereicherung und Herausforderung des Formats. Waschke macht eine Folge lang allein weiter, dann mit Corinna Harfouch.

"Gefühle sind was für hässliche Menschen"

"Das Mädchen, das allein nach Haus' geht" von Regisseur Ngo The Chau und Autor Günter Schütter ist ein Thriller über die Russenmafia. Julie Bolschakow (Bella Dayne) will aussteigen, sie ist die Frau eines Mafiapaten und vertraut sich der Kommissarin an. Vertrauen ist der Steg, der die Thrillerhandlung verbindet mit dem Beziehungsgeflecht der Kommissare, auch zwischen ihnen geht es um brüchiges Vertrauen und das Gewicht von Loyalität. Rubin und Karow waren sich mal näher, mal ferner; sie haben sich kennengelernt, ihr Inneres in seiner ganzen Ambivalenz wird auch fürs Publikum inzwischen klar sichtbar. Der kühle, schöne Karow ("Gefühle sind was für hässliche Menschen") ist mehr als ein Zyniker. Und Nina Rubin, auf den ersten Blick so wild, ist auf den zweiten sehr verlässlich. So sagt es die Russin Bolschakow, ihre Seelenverwandte: "Ich würde um Sie kämpfen - Sie haben ein reines Herz."

Bruchlos wird das Private der Ermittler mit der Haupthandlung in Verbindung gebracht. Beiläufig blickt Nina Rubin auf die Abenteuer in Berlin zurück und veredelt dabei sogar ein in anderen Zusammenhängen bekannt gewordenes Sprichwort: "Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt's einen, der den Käpt'n vögelt. Und der Käpt'n bin ich."

Furios und anspielungsreich in dieser sehenswerten Folge schließlich der wilde Ritt zum Schluss samt Showdown auf dem Airport BER, wo Berlin besonders verzweifelt und schmutzig und traurig ist. Und wo man schon als ganz normaler Reisender immer vergeblich den richtigen Weg und Ausweg sucht. Es gibt Wettrennen, denen entkommt niemand mit heiler Haut.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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