"Tatort" Berlin:Gewalt ist eine Lösung

Tatort Berlin: "Dunkelfeld"

Zwei, die nicht ohne, und noch sehr viel schlechter miteinander können: Kommissar Karow (Mark Waschke) und Christine Maihack (Ursina Lardi), die Witwe seines Ex-Partners.

(Foto: rbb/Oliver Vaccaro)

Kommissar Karow macht auf Nick Tschiller und wird dafür übel verprügelt. Am Ende muss Kollegin Rubin seine Seele retten. Die Nachlese zum Berliner "Tatort".

Kolumne von Johanna Bruckner

Erkenntnis:

Es geht nichts über das befriedigende Gefühl, wenn sich die sperrigsten Stücke des 1500-Teile-Puzzles endlich ins Gesamtbild fügen. Wobei die Berliner Tatorte weniger Knobel- als vielmehr Knochenbrecherspiele sind. Insofern könnte die Erkenntnis der Episode "Dunkelfeld" auch lauten: Gewalt ist eine Lösung.

Was passiert im vierten und finalen Teil der Miniserie mit den Kommissaren Rubin und Karow?

Der Kronzeuge Andi Berger wird erschossen, als er auf dem Weg zur Vernehmung ist. Kommissar Karow sitzt direkt neben ihm im Auto und bekommt Blutspritzer auf sein weißes T-Shirt. Haushaltsversierte Zuschauer ahnen: Da bleibt was zurück. Karow ist die Fleckenproblematik herzlich egal - er ist bedient, weil nun eine weitere Person tot ist, die den Tod von Karows Ex-Partner Gregor Maihack hätte aufklären können. Also besinnt sich der Kommissar auf die einzige Person, die ihn jetzt noch weiterbringen kann: sich selbst. Es folgt ein Alleingang, wie ihn der Hamburger Kollege Nick Tschiller (Til Schweiger) nicht heroischer und verletzungsreicher durchziehen würde.

Bezeichnender Dialog:

Kurz bevor Berger im Auto erschossen wird, liefert er sich mit Kommissar Karow einen rotzigen Wortwechsel.

Berger: Du könntest dich echt mal freuen. Wenn ich heute aussage, dann mache ich das nur für dich. Na ja, etwas richtig Mieses tun für etwas Gutes - das ist doch immer dein Grundsatz gewesen, oder nicht?

Karow: Die Buddhisten, die glauben ja, dass man immer wiederkehrt. Und je beschissener das ist, was man gemacht hat, umso mieser wird die nächste Inkarnation.

Berger: Mmh.

Karow: Was glaubste 'n wird's bei dir werden? Küchenschabe? Kellerassel? Oder 'ne Nacktschnecke?

Berger: Nee, nee, ich komm' ins Nirwana.

Karow: Keiner von uns beiden kommt je ins Nirwana, Berger. Für Leute wie uns hat der Buddhismus Samsara vorbereitet: beständiges Wandern.

Wer muss sich mit einer Teilnehmerurkunde zufriedengeben?

Karows Kollegin Nina Rubin. Die wird im Laufe der Episode mit einem Taser attackiert, diverse Male angeblafft und auf der üblen Psycho-Schiene bedroht. Sie lässt die Bar Mizwa ihres Sohnes Kaleb sausen, um Karow zu unterstützen - und das, obwohl ihre Familie ohnehin am Zerbrechen ist. Wofür das Ganze? Beim spektakulären Showdown der Männer ist sie raus, darf erst in letzter Minute dazustoßen. Dann aber zumindest als siegentscheidender Joker, der Karow davon abhält, auf Nimmerwiedersehen ins moralische Dunkelfeld zu verschwinden. Wie sagt Rubins Mann, als seine Frau mit Schmutz und Tränenspuren im Gesicht plötzlich auf der Gartenparty auftaucht? "Nina, du siehst atemberaubend aus." Man kann ihm nur zustimmen.

Flop:

Auch die Berliner Episoden kommen nicht ganz ohne Klischees aus: Das fängt beim Stereotypen-Casting an (Glatze = verschlagener Kriminellenhandlager) und hört bei der Kulisse gemäß Verbrecher-Sinus-Milieus auf (Marmorfliesen + lebensfeindlich aussehende Designer-Sessel = kriminelles Mastermind). Aber geschenkt - die Episoden mit Rubin und Karow gehören zum Spannendsten, was der Tatort derzeit zu bieten hat. Nur: Das mit dem seriellen Erzählen funktioniert sehr viel besser, wenn nicht Monate zwischen den einzelnen Folgen liegen. Da helfen auch alibimäßige Rückblenden nichts.

Beste Szene:

Hospitantin Anna Feil hat einen undankbaren Job. Von Kommissarin Rubin wird sie als Gemischtwarenladen für polizeiliche Bedarfsgüter benutzt, und Kommissar Karow schubst die Hospitantin im Bürostuhl durch die Gegend. Erst ganz am Schluss zahlt sich Annas unerschütterlicher Eifer aus. Der geheime Verbrecherverbund ist zerschlagen, Staatsanwalt Hemrich steht in Handschellen vor den Kommissaren, Karow nickt Anna zu: "Bitte." Und dann darf die Hospitantin das sagen, wovon jeder Polizeianwärter träumt: "Sie haben das Recht, die Aussage zu verweigern. Sie haben das Recht auf einen Anwalt. Und Sie haben das Recht, Beweiserhebung zu beantragen."

Bester Auftritt:

Diese Auszeichnung geht an Sabin (Marc Bischoff), den kreuzunglücklichen Schläger, der jene Drecksarbeit machen muss, die von Gangsterbossen traditionell ans kriminelle Prekariat delegiert wird. Sabin trägt ein Muskelshirt, obwohl er keine Muskeln hat, und bevor er zum Rohr greift, um Kommissar Karow zu Brei zu schlagen, muss er sich einen Mutmacher durch die Nase ziehen. Sabin hat in Wahrheit keinen Namen. Er bekommt diese Auszeichnung stellvertretend für alle heroischen Gangsterhandlanger, die mit ihrem intellektellen Vermögen nah am Grenzdebilen das böse Genie, dem sie dienen, umso cleverer erscheinen lassen.

Schlusspointe:

Manchen Gangstern ist mit den Mitteln der Strafverfolgung nicht beizukommen. Die sterben einfach, um mit neuer Identität und noch mehr krimineller Energie zurückzukommen. Gangster wie der Bauunternehmer Ahmed Kermal. Gott sei Dank haben diese Gangster eine Schwäche: Sie unterschätzen Frauen. Und landen deswegen völlig zu Recht von einem Stromstoß gelähmt im Dachterrassenpool. Gewalt ist eine Lösung.

Die besten Zuschauerkommentare:

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