Obwohl in dieser Wiener Episode ein ganzes Arsenal an harten Unterweltlern, Taschenganoven und Strizzis aufgeboten wird, liegt von Anfang an auch ein sentimentaler Klang über der Szenerie. Eingespielt wird ein Song der steirischen Band S.T.S., "Irgendwann bleib I dann dort". Ein altes Lied über das Verschwinden in den ewigen Urlaub, in eine bessere Welt: "Die Sunn wie Feuer auf der Haut, du riechst das Wasser, und nix is laut." Kennt, jedenfalls in Österreich, jeder.
Krimis, die derart vom Rotlicht bestrahlt werden, widerstehen der Klischee-gefahr oft nicht, in Deutschland gab es lange den "Bösewicht vom Dienst", wie diese Figur in den Programmzeitschriften genannt wurde. Wenn Schauspieler wie Horst Frank oder Günther Ungeheuer auf dem Bildschirm erschienen, konnte die Tätersuche gleich eingestellt werden. Der Österreich-Krimi ist traditionell schwebender, denn jedes Klischee ist hier gewollt, und unter allen Sonnenbrillen-, Halstattoo- und Schauzbartträgern blitzt der Mensch hervor, der Mensch in seiner ganzen Ambivalenz. Die Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) haben einen Mordfall im Milieu zu klären, jemand ist verbrannt und mit eingeschlagenem Gebiss der Nachwelt hinterlassen worden. Natürlich vollzieht sich die Tätersuche in gebremstem Tempo, aber Eisner/Fellner überbrücken jede Länge mit ihrer Präsenz und Dialogschärfe.
Regisseurin Barbara Eder (Buch: Stefan Hafner/Thomas Weingartner) erzählt in "Her mit der Marie!" eine Geschichte, die sich wandelt und wächst. "In unsrer Hektomatik-Welt dreht sich alles nur um Macht und Geld", singt zwar S.T.S., in Wahrheit dreht sich aber alles immer um die Liebe, was man hier spät, aber nicht zu spät erfährt. Heimlicher Star ist der berühmte Inkasso-Heinzi, ewiger Kontaktmann der Majorin Fellner in die Halbwelt. Von ihm ist in den Wiener Folgen öfter die Rede, aber man sieht ihn selten. Umso erfreulicher, dass der Schauspieler Simon Schwarz jetzt den Mythos Inkasso-Heinzi griffig macht, ohne ihn zu zerstören. Inkasso-Heinzi ist sesshaft geworden, als Pkw-Schrauber, aber gleich spürt man, dass auch diese Bürgerlichkeit nur fadenscheinige Verkleidung ist. Irgendwann sitzt er mit Fellner vor der Werkstatt bei der Leberkässemmel und philosophiert über die immer irgendwie unpassende Portionierung dieser Mahlzeit. "Du verstehst mein Leberkäs-Dilemma: Eine ist immer zu wenig, zwei sind immer zu viel. Drei für zwei, so hat's der Herrgott wollen." So rührend ist das Miteinander von Menschen schon lange nicht mehr gefeiert worden.
Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.