"Tatort" aus Saarbrücken:Leichenschau macht Spaß

Urplötzlich hat der Saarländische Rundfunk seine "Tatort"-Ermittler ausgetauscht - auf das Duo Brückner/Weber folgt jetzt Einzelkämpfer Devid Striesow. Gerade werden die ersten beiden Folgen mit ihm gedreht. Der Krimi aus Saarbrücken soll dabei vor allem eines: lustiger werden.

Katharina Riehl

An einem feuchtwarmen Tag im August malt die Sonne vereinzelte helle Flecken auf den nassen Waldboden, der Mann mit dem Headset trägt das Mückenschutzmittel schussbereit, und Devid Striesow steht mit pinken Socken im Dreck. Der Kommissar, den Striesow spielt und der Jens Stellbrink heißt, hat, so wird es im Tatort dann aussehen, gerade ein offenbar verloren gegangenes Mädchen im Baumarkt aufgelesen. Kurz darauf werden die beiden von ein paar finster aussehenden Männern in einem großen Auto durch den Wald gejagt. "Verfolger krachen durch Schlagbaum", steht im Drehplan.

Tatort-Team: Saarbruecken (SR)

Das neue Ermittler-Team des saarländischen "Tatorts": Elisabeth Brück als Hauptkommissarin Lisa Marx und Devid Striesow als Hauptkommissar Jens Stellbrink.

(Foto: dapd)

Seit ein paar Wochen werden in Saarbrücken die ersten beiden Tatort-Folgen mit Devid Striesow gedreht, und der Prolog zu diesem neuen ARD-Krimi im vergangenen Winter hätte kaum unerfreulicher sein können. Die bisherigen Saarbrücker Ermittler Maximilian Brückner und Gregor Weber erfuhren von ihrem unfreiwilligen Ausstieg aus der Reihe, als der Nachfolger schon lange gefunden war. Per Telefon wurden die beiden unterrichtet. Der Sender erklärte öffentlich nur, die Geschichte des ungleichen Paares sei "zu Ende erzählt". Das half nicht gerade, den Eindruck zu zerstreuen, dass da etwas ziemlich Unschönes gelaufen sein könnte - aber der Medienwelt hat der Saarländische Rundfunk damit ein hübsches geflügeltes Wort geschenkt.

Umso deutlicher sprach damals Gregor Weber über das, was aus seiner Sicht falsch gelaufen war. Ziemlich falsch gelaufen war ihm zufolge vor allem einer: Christian Bauer, der zuständige Tatort-Redakteur des SR.

Ein halbes Jahr später steht Christian Bauer im Wald, eine Autobahnausfahrt außerhalb von Saarbrücken. Bauer, ein etwas kompakter, grauhaariger und an diesem Tag sichtlich gut gelaunter Mann, umarmt, wen er zu fassen kriegt, den anderen klopft er auf die Schulter. Er sei praktisch jeden Tag am Set, sagt er, und dass er Devid Striesow schon lange beobachtet habe, bis er "irgendwann sicher war, dass ich ihn unbedingt für den Tatort haben will". Dagegen, dass Gregor Weber und Maximilian Brückner sich irgendwie aus dem Weg geräumt fühlen, helfen solche Sätze natürlich eher nicht.

Christian Bauer hat nie reagiert auf die Vorwürfe, sich auch auf Anfragen nicht geäußert. Fragt man ihn hier, im Wald, nach den Gründen, darf man am Ende dieses hier zitieren: "Der Sender hatte sich vorgenommen, das Ping-Pong-Spiel der gegenseitigen Vorwürfe nicht unendlich fortzusetzen, weshalb wir nach der ersten Pressemitteilung keinen Kommentar mehr abgegeben haben. Das halten wir bis heute so." Und: "Das heißt nicht, dass wir denken, dass von unserer Seite alles einwandfrei gelaufen wäre. Dass das abschließende Gespräch am Telefon stattfand, war sicher nicht optimal."

Ein bisschen ein Kommentar ist das natürlich trotzdem: Ping-Pong heißt, dass einer meint, theoretisch genug Bälle zum Zurückspielen zu haben.

Ein Scherz, der nicht der Wahrheit entbehrt

Jede Geschichte braucht immer auch einen Guten, und man muss keine moralischen Urteile fällen, um festzustellen, dass der Gute in dieser Geschichte immer Devid Striesow war. Striesow, 38, den die Kostümbildner für diesen Tag im Wald in eine seltsame Mischung aus bunt karierten Stoffen gesteckt haben, ist einer der besten deutschen Schauspieler seiner Generation. Er fiel auf mit kleinen Kinofilmen wie Die Fälscher (Deutscher Filmpreis für die beste männliche Nebenrolle) und mit größeren TV-Rollen, etwa im ZDF als Assistent der Ermittlerin Bella Block. Dann spielte er in Tom Tykwers Drei den Dritten in der Beziehung zwischen Sophie Rois und Sebastian Schipper, für die Rolle gewann er den Preis der Deutschen Filmkritik.

Devid Striesow sagt, er habe, als Christian Bauer ihn fragte, die Rolle im Tatort erst mal abgesagt. Abgesagt, weil er sich nicht habe vorstellen können, "wie man mit einem Film pro Jahr mit immer wechselnden Autoren und Regisseuren eine Figur mit Kontinuität aufbauen kann". Aber Christian Bauer habe nicht nachgelassen - "wie ein kleiner Terrier", sagt Devid Striesow, und selbstverständlich kann er zu so einem Satz auch den richtigen Gesichtsausdruck: Ein Scherz ist das, klar, und ein bisschen wahr ist es natürlich auch.

Mit Yogamatte auf der Vespa

Er hat am Ende offensichtlich doch zugesagt. Man sei ihm, was die Kontinuität angeht, entgegengekommen, sagt Devid Striesow - insofern als die Drehbuchautoren von Teil eins jetzt gerade das dritte Buch schrieben, und derselbe Regisseur, Hannu Salonen, Teil eins und zwei inszeniere. Und man habe eine "Figurenbibel" für Jens Stellbrink, der Yoga macht und eine rote Vespa fährt, entwickelt. In der stehe alles drin über die Figur, Stellbrinks ganzes Leben.

Dass Devid Striesow sich vor seiner Zusage auch noch andere Gedanken gemacht haben dürfte, wird klar, wenn er Folgendes sagt: "Früher war man hauptberuflich Tatort-Kommissar, heute spielen Schauspieler halt auch einen Kommissar im Tatort. Da hat sich etwas verändert." Betrachtet man die Verpflichtungen der vergangenen Monate für die Reihe, Til Schweiger oder Wotan Wilke Möhring, dann ist das sicher richtig. Und der Schauspieler Devid Striesow steckt seine Grenzen ab.

Der Tatort ist das einzige regelmäßige fiktionale Projekt, dass der Saarländische Rundfunk jedes Jahr ins Programm des Ersten einbringt, und Bauers Macht in der Filmszene des kleinen Bundeslands in der kleinen ARD-Anstalt sollte man sicherlich nicht unterschätzen. Als der Sender die neue Besetzung mit Striesow offiziell machte, wurde auch eine Ermittler-Kollegin benannt, gespielt von Elisabeth Brück, die bis dahin keine großen TV-Rollen hatte, aber an einer Schauspielschule in Saarbrücken Sprecherziehung und Improvisation unterrichtet. Auch dass Bauer eine so unbekannte Schauspielerin für den Tatort präsentierte, löste zumindest Verwunderung aus.

Christian Bauer sagt, er habe sofort nach Striesows Zusage gewusst, dass dessen Kollegin von Elisabeth Brück gespielt werden muss. Und er sagt, dass es für den Saarbrücker Tatort wichtig sei, dass regionale Schauspieler beteiligt sind. Elisabeth Brück spielt mit unwahrscheinlich roten Haaren und sehr dunkler Aufmachung die Polizistin Lisa Marx, ein Gegenpol soll sie sein zu Jens Stellbrink - eine Figurenkonstellation, aus der laut Bauer der Humor der neuen Reihe entstehen soll.

Von Rockern und arabischen Mädchen

Humor ist überhaupt ein wichtiges Thema beim Saarländischen Rundfunk, denn der Tatort dort soll lustiger werden, was insofern nicht sonderlich überrascht, als Humor und Leichen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen spätestens mit Einführung der Vorabendserien "Heiter bis tödlich" eine untrennbare Allianz eingegangen sind. Als beliebteste Tatort-Team werden regelmäßig Axel Prahl und Jan Josef Liefers in Münster genannt, die ja auch vor allem lustig sind.

Die ersten Striesow-Fälle handeln von einem arabischen Mädchen in Schwierigkeiten und, zugegebenermaßen ziemlich aktuell, von Rockern. "Melinda" ist der erste Teil, "Am Ende der Straße" der zweite, beide sollen im kommenden Frühjahr gezeigt werden. Christian Bauer sagt, man wolle natürlich weiter Krimis machen, aber Krimis, die von der Farbe her heller sind. "Der Sendeplatz um 20.15 Uhr ist ein Unterhaltungssendeplatz, für den Film noir ist das nicht der richtige Platz. Unsere drei letzten Tatorte gingen ja eher in diese sehr dunkle Richtung." Mit den Kommissaren Kappl und Deininger wäre die Veränderung in Richtung Humor nicht möglich gewesen, so Bauer. "Das lag ihnen nicht."

Weg von der Düsterkeit

Die eher düsteren Filme "Hilflos", "Heimatfront" und "Verschleppt", die unter Bauers Redaktion entstanden, gehen ihm zufolge auf ein Konzept zurück, das er einst beim, inzwischen verstorbenen, SR-Intendanten Fritz Raff eingereicht hatte. Er wollte auf Realismus setzen mit dem Tatort, und das hätten sie ja auch gemacht. Dann wollte Bauer das offenbar nicht mehr. "Wir", sagt er, "die Darsteller und das Team, sind künstlerisch nicht mehr auf einen Nenner gekommen."

Erinnert man sich, was Gregor Weber über die Zusammenarbeit erzählte, ist das sicher keine Lüge. Die Geschichte der Zusammenarbeit zwischen dem Tatort-Redakteur Bauer und dem Tatort-Kommissar Weber ist so oder so zu Ende erzählt.

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