Süddeutsche Zeitung

"Tatort" aus Ludwigshafen:"Ich bereue, Gutes unterlassen zu haben"

Lesezeit: 3 min

Bei seinem letzten Einsatz im Ludwigshafen-"Tatort" gerät Kommissar Kopper in ein gewaltiges moralisches Dilemma. Etwas Besseres hätte ihm kaum passieren können.

Von Paul Katzenberger

Erkenntnis:

Wer einem anderen Menschen vertraut, muss wissen, dass dieser Glaube an den anderen immer eine schöne Wunschvorstellung sein könnte. Und die kann bisweilen nicht nur falsch sein, sondern auch böse missbraucht werden. Hauptkommissar Mario Kopper muss das im Ludwigshafen- Tatort "Kopper" schmerzhaft lernen. Andererseits: Ohne Vertrauen in den Mitmenschen geht's im Leben auch nicht. Das darf Kopper in diesem Fall ebenfalls erfahren. Dass es vor allem die Kollegin Lena Odenthal ist, auf die er nach 21 gemeinsamen - nicht immer komplikationsfreien - Dienstjahren in seinem letzten Fall zählen kann, stimmt zumindest hoffnungsvoll.

Darum geht's:

In der JVA Frankenthal hat sich ein Mafia-Zeuge umgebracht, bevor er nach Italien überführt werden konnte. Nahezu gleichzeitig wird ein zweiter Toter in einer Ludwigshafener Gaststätte aufgefunden, der dem Mafia-Umfeld zuzurechnen ist. Die beiden Fälle hängen zusammen, und der gebürtige Sizilianer Kopper gerät wegen seines alten Freundes Sandro (Michele Cuciuffo) aus gemeinsamen Ludwigshafener Jugendtagen mitten hinein in eine lebensgefährliche Konstellation.

Aber dann geht's doch vor allem darum, ...

... wie der Mafia überhaupt beizukommen ist. Da helfen weder juristische Prinzipienreiterei, wie sie Odenthals Vorgesetzter, Oberstaatsanwalt Benninger (Andreas Leupold), bis zum Exzess betreibt, noch Koppers illegal-pragmatischer Ansatz, einen reuigen Mafia-Mörder ins deutsche Zeugenschutz-Programm zu bugsieren. Am Schluss geht der Oberbösewicht Antonio Primavera (Ciro de Chiara) aus diesem Fall ohnehin straffrei und unbescholten hervor.

Bester Dialog:

Kopper plagen tiefe Schuldgefühle: Um Sandro das Leben zu retten, hat er den jungen Sizilianer Salvatore Ferri (David Brizzi) erschossen und anschließend ein Versteckspiel mit der Kollegin Odenthal betrieben und damit sein Vertrauensverhältnis zu ihr beschädigt. Sein Berufsethos hat schwer gelitten. Er weiß sich nicht mehr anders zu behelfen, als in der Kirche zu beichten.

Kopper: "Das letzte Mal, dass ich gebeichtet habe, ist etwa 40 Jahre her. Ich bereue, Böses getan und Gutes unterlassen zu haben. Ich habe einen Jungen getötet, der einen Mörder erschießen wollte. Ich dachte, dieser Mörder ist ein alter Freund. Von seinen Morden wusste ich nichts.

Priester: "Mein Sohn, Du musst sofort zur Polizei gehen!"

Kopper: "Lieber noch mal Gutes unterlassen. Das Beichtgeheimnis gibt's doch noch, oder?"

Top:

Die Szene, in der Fall-Analytikerin Johanna Stern der Kollegin Odenthal klar macht, dass es ein Fehler ist, Kopper in seinem unrechten Tun zu decken, ist von erhabener Wahrheit. Zwar hat Stern rational betrachtet zu hundert Prozent recht, wenn sie sagt: "Hier werden Freundschaften ausgenutzt. Die von Kopper, Deine. So funktioniert die Mafia!". Wer wollte da widersprechen? Und doch liegt Odenthal richtig, den gut gemeinten Rat in den Wind zu schlagen. Denn das Bauchgefühl und das Vertrauen in einen nahestehenden Menschen können eben manchmal doch eher zum Ziel führen als die Vernunft.

Flop:

So funktioniert die Mafia sicher nicht: Nur weil Stern die Köche im dubiosen Edel-Italiener Stradivari befragt, ob sie eines der Mord-Opfer auf einem Foto erkennen, findet sie am Abend vor ihrer Haustür eine Grußbotschaft der Mafia, in der das Leben ihrer zwei Kinder bedroht wird. Wenn der Oberbösewicht und Stradivari-Eigner Antonio Primavera nur halb so gerissen wäre, wie in diesem Tatort behauptet wird, würde er sich solche Plumpheiten niemals leisten.

Beste Szene:

Zu komisch, um wahr zu sein: Als Kopper die Kollegin Odenthal endlich einweiht, in welchem Schlamassel er steckt, macht er das kurz und trocken: "Ich war's", sagt er, was unendlich lapidar klingt, wenn man bedenkt, welche Ungeheuerlichkeit in der Aussage steckt. Denn dass der Kollege der Täter ist, den die Mordkommission unter Odenthals Führung fieberhaft sucht, ist dann doch zu aberwitzig - zumindest einen Moment lang.

Die Schlusspointe:

In ein so großes moralisches Dilemma, wie in diesem Ludwigshafen- Tatort, ist Kopper in seinen 21 Dienstjahren wohl nie geraten. Hinzu kommt, er zahlt einen hohen Preis: Das Strafverfahren gegen ihn wird zwar eingestellt, doch er wird aus dem Polizeidienst entlassen. Wer ihn allerdings in der Schlusseinstellung in seiner neuen Heimat Italien milde in sich hineinlächelnd und mit seiner sizilianischen Verlobten Maria (Marzia Tedeschi) sieht, kommt zu dem Schluss, dass ihm nichts Besseres passieren konnte.

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