Süddeutsche Zeitung

"Tatort" aus Köln:So abgedroschen wie abwegig

Überstrapazierte Running Gags, eine unglaubwürdige Handlung und Geschlechterklischees auf Mario-Barth-Niveau: Der neue Kölner "Tatort" ist nicht gerade ein Meisterwerk.

Von Luise Checchin

Die Erkenntnis:

Familien sind voller Abgründe, Kollegen nerven und Beziehungen sind kompliziert. Diese Aussagen sind Allgemeinplätze, aber gerade deswegen passen sie wunderbar zum neuen Kölner Tatort, der ein filmgewordener Allgemeinplatz ist. Wer eine Vorliebe für billige Floskeln, pseudophilosophische Weisheiten und zu dick aufgetragene Running Gags hat, dem sei "Familien" wärmstens empfohlen.

Darum geht es:

Ein Betrunkener findet in einem Mülleimer eine Tasche voller Geldscheine und wird direkt danach überfahren. Schnell finden die Kommissare Max Ballauf und Freddy Schenk heraus, dass der getötete junge Mann aus Versehen in eine Lösegeld-Übergabe geplatzt ist: Die 19-Jährige Charlotte Ritter ist seit einer Woche vermisst, ein anonymer Erpresser hat von ihrer Familie 500 000 Euro gefordert, damit sie frei kommt. Eigentlich hat der Erpresser außerdem gefordert, dass die Polizei nicht benachrichtigt wird. Doch nun sind die Kommissare einmal involviert und lassen es sich nicht nehmen, zu ermitteln. Spuren gibt es genug, ob das der schwer reiche Großvater ist, der rachsüchtige Freund oder der plötzlich aufgetauchte leibliche Vater Charlottes.

Bezeichnender Dialog:

Kommissar Schenk hat seinen 30. Hochzeitstag vergessen. Um seine verärgerte Frau Susanne wieder versöhnlich zu stimmen, versucht er einiges, vermasselt es aber jedes Mal gleich wieder. Das Essen beim Italiener lässt er ausfallen, um zu arbeiten. Die Blumen, die er besorgt hat, vergisst er im Kofferraum. Auch der Ring, den er ihr schließlich kauft, hat nicht die gewünschte Wirkung.

Schenk: Susanne will den Ring nicht. Versteh' da einer die Frauen.

Ballauf: Freddy!

Schenk: Was?

Ballauf: Sie wünscht sich etwas anderes.

Schenk: Woher weißt du, was sie will?

Ballauf: Sie wünscht sich Zeit. Keinen dicken fetten teuren Ring. Die will Zeit mit dir verbringen. Sag mal, wie lange schwärmt die schon von so 'nem Wellness-Ding? So 'ne Detox-Woche mit Ayurveda obendrauf? Das wäre genau das Richtige.

Schenk: Warum sagt sie mir das nicht selber? Warum soll ich ihr immer alles von den Lippen ablesen?

Ballauf: Was glaubst du, wie gerne ich jemanden hätte, dem ich mal was von den Lippen ablesen könnte.

Schenk: Na, dann fahr du doch für mich.

Flop:

Dialoge wie der obenstehende finden sich in "Familien" etliche, dieser Tatort scheint seine größte Freude daraus zu ziehen, aus Klischees auf Mario-Barth-Niveau Filmszenen zu machen. Da sind die Männer auf der einen und die Frauen auf der anderen Seite. Letzere sind ein merkwürdiges Geschlecht, das sich dadurch auszeichnet, dass es immer so empfindlich ist und einen Hang zur Esoterik hat. Um Frieden zwischen den beiden zu schließen, bedarf es enormer Anstrengungen, vornehmlich der Männer.

Selbst wenn man zugestehen würde, dass es Menschen gibt, die in solchen Kategorien denken, und hier also nur abgebildet werden soll, was ist, bleibt immer noch das Problem, dass die Dialoge vor Abgedroschenheit triefen. Zum Großvater der verschwundenen Charlotte muss Ballauf doch allen Ernstes den hohlen Tatort-Kommissar-Spruch "wenn sie nicht sofort Tacheles reden, nehmen wir sie auf der Stelle mit" sagen. Und über die alkoholkranke Mutter von Charlottes Freund hat Schenk folgende Weisheit zu verkünden: "Die muss mal einen Entzug machen, die Frau. Aber das muss sie wollen, sonst wird das nichts."

Da ist es schon fast egal, dass die Geschichte von "Familien" lange vor sich her dümpelt, bis sie schließlich in völliger Unglaubwürdigkeit mündet: Charlotte, so stellt sich heraus, ist betrunken bei einem Streich verunglückt. Als ihr Freund und ihr Bruder, die dabei waren, die Todesnachricht Charlottes Vater eröffneten, rief der nicht die Polizei sondern entschloss sich, eine Entführung vorzutäuschen. Es verhielt sich nämlich so, dass Ludwig Ritter kürzlich erfahren hatte, dass Charlotte gar nicht seine leibliche Tochter war. Ritter war also ziemlich wütend auf seine Ehefrau, die ihn zwei Jahrzehnte lang belogen hatte. Und was wäre da naheliegender, als der Leiche des Mädchens, das man 19 Jahre als die eigene Tochter großgezogen hat, einen Finger abzuschneiden und sie im Wald zu verscharren? Dass jemand innerhalb von ein paar Tagen vom liebevollen Familienvater zum kaltblütigen Erpresser und Leichenschänder mutiert, ist dann doch etwas hanebüchen.

Die Pointe:

Der Fall ist gelöst und Schenk bleibt nichts anderes übrig als nun doch mal Zeit mit seiner Frau zu verbringen. "Ich gehe jetzt auch für eine Woche in den Knast", seufzt er, "meine Strafe absitzen für den vergessenen Hochzeitstag." Höhö, Schenkelklopf, jetzt muss der Kommissar also wirklich zur Ayurveda-Kur.

Und nun trifft der eine überstrapazierte Running Gag dieses Tatorts den anderen überstrapazierten Running Gag dieses Tatorts: Assistent Norbert Jütte, der gerne und regelmäßig isst (eine Tatsache, die aus einem unerfindlichen Grund den Ärger von Schenk hervorruft, was aus einem unerfindlichen Grund witzig sein soll), gibt dem gebeutelten Kommissar ein Paket "Astronautennahrung" auf seine Reise mit. Dann sieht man Schenk dabei zu, wie er tapfer den Flur entlangschreitet, aufrecht in sein Verderben hinein.

Vielleicht hilft so eine Kur ja wirklich dabei, sich neu zu erfinden. In dem Fall würde man dem Kölner Tatort wünschen, dass er sich auch eine genehmigt.

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