Süddeutsche Zeitung

"Tatort" Köln:Familiensache

Im Neujahrs-"Tatort" muss Freddy Schenk einen sehr persönlichen Fall klären.

Von Claudia Tieschky

In diesem Tatort aus Köln stehen sich zwei gefährliche Opas gegenüber, jedem der beiden geht es um viel. Der eine heißt Viktor Raschke, ist im Feinkost- und Schutzgeld-Business tätig und kontrolliert als Pate das ganze Viertel, das man früher "multikulti" genannt hätte, auch wenn es ganz und gar Köln ist.

Der andere kontrolliert das Viertel auch, aber anders. Es ist nämlich der Hauptkommissar Freddy Schenk (beziehungsweise der große Dietmar Bär), der für Ordnung sorgen und hier ein Verbrechen aufklären soll - der Neujahrs-Tatort ist ein Fall, der ins Persönliche geht, für beide. Denn in der Episode "Schutzmaßnahmen" hängt alles mit Schenks Tochter zusammen, Sonja Schenk. Im Fackelschein ziehen bei Nacht Demonstranten durch die Straße und rufen "Wir sind das Volk", dann brennt es im persischen Restaurant Wunderlampe, das Sonja mit ihrem Lebensgefährten Karim Farooq (Timur Isik) aufgebaut hat, und als dort ein verkohlter Toter gefunden wird, kommt eine Dynamik in Gang, in deren Verlauf für Schenk der Beschützerinstinkt mehr zählt als jede Dienstvorschrift. Und Raschke (Manfred Zapatka mit einem teuflischen Heinrich-Breloer-Bärtchen) zieht die Strippen so, dass es früher oder später auf eine Entscheidung zwischen beiden rauslaufen muss.

Nina Vukovic hat nach dem Drehbuch von Paul Salisbury und mit der auffallend souveränen Kamera von Julia Jalnasow einen klassischen Bulle-gegen-Gangster-Krimi inszeniert, bei dem manchmal das alte Kino-Brooklyn herüberwinkt. Etwas leidet er allerdings darunter, dass die entscheidende Wendung vor Kurzem erst so ähnlich bereits in einem Sonntagskrimi vorkam. Und auch darunter, dass Sonja Schenk (Natalie Spinell), die der Tatort mehr als zwanzig Jahre aus den Augen verloren hatte, jetzt eine vage angedeutete, herbe Lebensgeschichte samt fast erwachsener Tochter mitbringt, aber fast niedlich Papa-fixiert ist. Immerhin darf sie ihn zwischendurch anlügen, dass sich die Balken biegen.

Im letzten Berlin-Tatort wurde Robert Karow in null Komma nichts wegen Befangenheit in Urlaub geschickt, um dann natürlich erst richtig loszulegen. Schenks Kollege Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) braucht dagegen wahnsinnig lange, bis ihm dämmert, was eigentlich läuft. Hier kommt es erkennbar wirklich niemandem auf die Frage an, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Ermittler mit Mordaufklärung im Familienumfeld betraut wird. Worauf es ankommt: Wie der Pate von Köln in seinem Lager sitzt und unheimlich freundlich Walnüsse knackt.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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