Der Schweizer Medienkonzern Tamedia hat Klage gegen den Spiegel eingereicht. Wie das Unternehmen auf Anfrage mitteilte, habe man sich "nach sorgfältigem Abwägen" entschieden, dass man den Spiegel- Gastbeitrag "Ich auch" von Anuschka Roshani aus dem Februar so nicht stehen lassen wolle. Über die Klage hatte zuerst das Schweizer Medienportal persönlich.com berichtet.
Roshani hatte von 2002 bis 2022 für Das Magazin in Zürich gearbeitet, der Wochenendbeilage mehrerer Tamedia-Tageszeitungen. Im Spiegel erhob die gebürtige Deutsche schwere Vorwürfe gegen ihren langjährigen dortigen Chef Finn Canonica. Er habe "ein Regime des Mobbings" installiert, sie mit sexualisierten Bemerkungen verbal herabgesetzt und hochdeutsche Ausdrücke in ihren Texten mit Hakenkreuzen markiert. Canonica, der seit Sommer 2022 ebenfalls nicht mehr beim Magazin arbeitet, ließ die Vorwürfe über seinen Anwalt bestreiten und klagt seinerseits gegen den Spiegel.
Tamedia gehört zu den vier großen Medienhäusern der Schweiz und gibt ein gutes Dutzend Tageszeitungen heraus, darunter den Tages-Anzeiger, mit dem auch die Süddeutsche Zeitung kooperiert. Der Gastbeitrag im Spiegel hatte im Land eine Debatte über Führungskultur in der Medienbranche losgetreten. In den Fokus geriet neben Canonica auch die Verlagsleitung von Tamedia, der Roshani vorwarf, trotz Kenntnis der Anschuldigungen untätig geblieben zu sein. Die Tamedia-Spitze bestritt das: Der Verlag habe die Vorwürfe "sehr ernst genommen und akribisch prüfen lassen", hieß es. Eine externe Untersuchung habe die Anschuldigungen mehrheitlich nicht bestätigen können.
Am Donnerstag, so ein Unternehmenssprecher, habe Tamedia die Klage eingereicht, mit der das Haus sowohl gegen den Spiegel als auch gegen die Autorin gerichtlich vorgehen will. "Vor allem die sowohl durch Text als auch Bilder gemachte Anspielung auf den Fall 'Harvey Weinstein' ist aus Sicht von Tamedia persönlichkeitsverletzend", begründete der Sprecher den Schritt. Der Spiegel bestätigt den Eingang der Klageschrift auf Anfrage. An der Berichterstattung halte das Magazin "selbstverständlich" fest, so ein Sprecher.