Talkshows in Italien:Die Stille vor der Wahl

Keine hintergründigen Informationen vor dem regionalen Urnengang: Italiens Staatsfernsehen zwingt vier Talkshows zu pausieren - die Rai ist blamiert, die Moderatoren sind wütend.

Andrea Bachstein

Entmündigte Zuschauer, wütende TV-Moderatoren und Kommissar Rex oder 101 Dalmatiner statt politischer Hintergrundsendungen - das bietet das italienische Staatsfernsehen Rai in diesen Tagen dem Publikum. Einen Monat lang dürfen Italiens bekannteste Talkshows mit politischen Inhalten nicht auf Sendung gehen.

Das hat der Verwaltungsrat der Rai verfügt und damit wahre Proteststürme im eigenen Hause und bei Journalistenverbänden ausgelöst. Anlass dieser Absetzungen - gegen das Votum des Rai-Präsidenten Paolo Garimberti - sind die Wahlen in 13 der 20 Regionen Italiens am 28. und 29. März. Sie entsprechen Landtagswahlen.

Der Verwaltungsrat begründete seine Entscheidung mit den Vorgaben der Parlamentarischen Überwachungs-kommission für die Rai.

Sie verlangen, dass vor Wahlen in den Programmen keine Partei bevorzugt werden darf, "par condicio" heißt das Fairnessgebot. Noch nie ist das Gesetz jedoch so umgesetzt worden wie jetzt.

Selbst bestraft

Die Mehrheit im Rai-Verwaltungsrat, dessen Besetzung die politischen Mehrheitsverhältnisse spiegelt, fürchtete, die Sendungen könnten eventuell Inhalte haben, die nach den Regeln von par condicio angreifbar wären. In einem solchen Fall hätte der Rai eine Geldstrafe gedroht. Es sieht aber nun so aus, als habe die Rai sich vorsorglich selbst bestraft, und zwar viel schwerer als mit Bußgeld.

Die Zwangspause gilt für die Sendungen Ballarò, (Rai3), L'Anno Zero (Rai2), Porta a Porta (Rai1) und L'ultima Parola (Rai2). Es sind Qualitätsformate mit festen Sendeplätzen, hohen Quoten und respektierten Journalisten als Moderatoren. Alle haben als Schwerpunkte Politik, Wirtschaft und gesellschaftspolitische Themen, alle liefern Hintergrundinformationen zu aktuellen Vorgängen. Dazu gehören Studiogäste - Fachleute, aber vor allem Politiker. Nicht selten enden die Folgen mit nicht mehr verständlichen Wortgefechten, weil die Gäste lautstark streiten.

Weißer Streik

Ballarò und und L'Anno Zero werden zur besten Sendezeit abends ausgestrahlt, sie haben Quoten von 18 bis 20 Prozent, doppelt so viel wie die meisten anderen Sendungen. L'ultima Parola und Porta a Porta laufen spätabends. Aber auch dann hat Porta a Porta eine Quote von 18 bis 20 Prozent.

Immerhin sind von Montag bis Donnerstag durchschnittlich fast 1,5 Millionen Zuschauer nach 23 Uhr an Moderator Bruno Vespa und seinen Gästen interessiert. Vespa läuft auf Rai1, dies ist traditionell der Rai-Kanal mit der größten Nähe zur jeweiligen Regierung. Silvio Berlusconi war schon mehrmals Gast bei Porta a Porta, und Vespa, obgleich ein erfahrener Journalist, hat den Regierungschef gelegentlich geradezu unterwürfig interviewt.

Ganz anders L'Anno Zero auf Rai 2. Präsentator Michele Santoro ist der am meisten von der Mitte-Rechtsregierung attackierte Rai-Journalist. Er geht hart ins Gericht mit Politikern, verfolgt Skandale und Missstände. Dennoch ist Santoro nicht immer frei von Demagogie und übertreibt gelegentlich mit Angriffen - die zumeist auf das Berlusconi-Lager zielen.

Gewissermaßen in der Mitte befindet sich Ballarò. Anspruchsvoll und bemüht, keiner Seite zu nahe zu stehen, ist die Sendung von Giovanni Floris. Aber auch er wird vom Regierungslager angegriffen. Sein Kanal Rai 3 ist der, in dem Oppositionsparteien mehr Mitsprache haben. Die vierte abgesetzte Sendung, L'ultima Parola, hat meist keine Brisanz.

Ria ist blamiert

Den Rai-Verwalter hätte es freigestanden, statt die Sendungen zu kippen, sie ohne Politiker zu gestalten und mit Themen fern der Tagespolitik. Bruno Vespa befasst sich ohnehin auch mit Verbrechen oder Themen wie Schönheitschirurgie. Und L'Anno Zero hatte gerade eine Sendung über Schlagermusik.

Nun haben die Absetzungen nicht nur Proteste ausgelöst, sondern es steht auch der hässliche Verdacht der Zensur im Raum. Die Rai ist blamiert, denn sie vertraut offenbar den eigenen Journalisten nicht - und hält ihr Publikum für manipulierbar. Noch dazu hat die Rai sich wirtschaftlich geschadet. Die betroffenen Sendungen sind relativ preiswert und erzielen dank ihrer Quoten mit Werbung ein Vielfaches der Kosten. Moderator Santoro plant nun einen "weißen Streik": Er will am 25. März eine Sendung produzieren. Sie soll im Theater oder auf einem öffentlichen Platz über die Bühne gehen und von jedem aufgenommen und gezeigt werden dürfen.

Die erste Programmlücke einer Folge von Ballarò wurde übrigens nicht durch einen Hundefilm gefüllt, sondern durch einen Beitrag über den Faschismus.

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