Talkshow:Anne Will: Herr Maaz und Merkels "narzisstische Störung"

Anne Will

Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz (links) neben Klaus Wowereit und Anne Will.

(Foto: NDR/Wolfgang Borrs)

Eigentlich ist Angela Merkel Stargast der Sendung, die frisch gebackene Kanzlerkandidatin der CDU. Bis ein Psychoanalytiker aus Halle in die Debatte eingreift.

TV-Kritik von Thorsten Denkler

Warum dieser Herr Maaz in der Sendung sitzt, das bleibt wohl ein Geheimnis der Redaktion von Anne Will. Es beginnt mit einem Einzelgespräch mit Angela Merkel, 25 Minuten, aufgezeichnet vor der Sendung. Dann folgt eine Runde, in der die Diskutanten die Aussagen der frischgebackenen CDU-Kanzlerkandidatin auseinanderpflücken könnten. Versuchen sie auch zu Beginn. Aber Herr Maaz ist eben auch da.

Hans-Joachim Maaz. Ein Psychoanalytiker aus Halle an der Saale, Ex-Chefarzt, 73 Jahre alt. Das ist jetzt an sich nichts Verwerfliches. Nur dass Maaz redet, als müsste er selbst dringend auf die Couch.

In einem Interview mit der Huffington Post hat er schon im Januar Ferndiagnose an Merkel betrieben: Die Kanzlerin sei "seelisch verpanzert", habe eine "narzisstische Grundproblematik", ein "künstlich aufgeblasenes Selbstbild", den "Bezug zur Realität verloren". Und weiter: "Problematisch wird es, wenn die Anerkennung plötzlich wegfällt und in Kritik umschlägt, wie jetzt bei Frau Merkel. Wir kennen das auch von Stars im Showbusiness: Dann kommt die Einsamkeit, vielleicht der Alkohol und ein psychischer Zusammenbruch."

Seine Mitdiskutanten, Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, die saarländische CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und SPD-Originalberliner Klaus Wowereit, mögen von Maaz nichts gewusst haben. Aber sie schauen während der Sendung zwischenzeitlich so fassungslos, als würden sie Maaz' Platz gern an Beatrix von Storch vergeben. Das wäre auch schlimm. Aber wenigstens spricht sie in klaren Hauptsätzen.

Buch über das "Psychogramm der DDR"

In seiner aktiven Zeit hat Maaz auch Bücher veröffentlicht. Eines hieß "Der Gefühlsstau. Ein Psychogramm der DDR." Erschienen kurz nach der Wende. Das ist lange her. Nicht lange genug aber, um Maaz jetzt in die Sendung einzuladen. Und zwar wegen genau dieses Buches.

Weil er ja so was wie ein Experte für die seelischen Nöte der ehemaligen DDR-Bevölkerung sein muss. Und weil die Anne-Will-Redaktion offenbar dort die Abgehängten der Republik vermutet. Oder zumindest jene, die es jetzt total doof finden, dass Angela Merkel an diesem Sonntag ihre Bereitschaft erklärt hat, wieder als Kanzlerkandidatin anzutreten. So denn ihre Partei das will, die in knapp zwei Wochen zu ihrem Parteitag in Essen zusammenkommt.

Merkel: Kraft und Willen, um noch einmal anzutreten

Merkel sagt Anne Will zuvor auch nichts wesentlich anderes, als sie vorher in einer Pressekonferenz in der CDU-Parteizentrale schon der Öffentlichkeit erklärt hat. Dass sie lange nachgedacht habe, jetzt aber zu dem Schluss gekommen sei, sie habe die Kraft und den Willen, noch einmal anzutreten.

Sie habe Ideen, auch dafür, den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu stärken. Und dass sie nicht denen, die jetzt sagen, sie seien das Volk, die Meinungsführerschaft überlassen wolle. "Ich bin auch das Volk", sagt Merkel. Einige von denen, die in der AfD ihr ganzes Heil sehen, würden ihr wohl schon hier ganz entschieden widersprechen.

Merkel hat mal gesagt, sie wolle nicht eines Tages als Wrack aus der Politik scheiden. Anne Will fragt danach. Merkel lächelt wie jemand, der auch diese Frage nicht zum allerersten Mal hört. Und antwortet recht erfrischend: "Wann ist man Wrack? Nun habe ich mich mal angeguckt im Spiegel. Und ich finde, dass ich das noch nicht bin."

Wer Merkel will, bekommt genau diese Merkel

Tasten wir uns nun langsam zu Herrn Maaz vor. Es kommt Kritik auf, dass Merkel nicht allzu konkret gesagt hat, was sie denn genau tun will, um den Zusammenhalt zu stärken.

Di Lorenzo beginnt, durchaus differenziert, dass Politik eben immer ein lernendes System sei. Es sei also gar nicht schlimm, nicht sofort auf alles Antworten zu geben. Merkel jedenfalls würde nicht antreten, wenn sie nicht ihre Lektion gelernt hätte. Zu konkret werden sei überdies nicht ihr Stil. Sie "tastet sich vor, seziert es, schraubt alle Teile auseinander, schraubt sie wieder zusammen, dann entscheidet sie". So ist sie eben, sagt di Lorenzo. Ist ja auch klar, nach elf Jahren im Kanzleramt. Wer Merkel will, bekommt genau diese Merkel. Keine andere.

Wowereit darf noch sagen, dass auch eine Angela Merkel im Wahlkampf schlagbar ist. Gut, jetzt vielleicht nicht alleine von der SPD, mag er sich gedacht haben. Aber am Ende zählt ja nur die Mehrheit, die eine Koalition aufbringt. Und das muss ja keine sein, in der die CDU dabei ist.

Und dann Maaz. Der Psychoanalytiker. Oder besser: der wütende Psychoanalytiker? Was Merkel gesagt habe, das sei "purer Populismus". Nämlich einer "ohne Inhalte". Und "das ärgert mich". Merkel tritt wieder an. Er hätte ihr gewünscht, dass sie es sein lässt. "Damit sie einen würdigen Abgang findet." Den werde es nicht mehr geben. Es sei "peinlich für so eine große Volkspartei", dass der Eindruck entstehe, "als könnte nur sie es machen". Und der Seehofer! Der Seehofer von der CSU, der wird "wie ein dummer Junge behandelt".

Hat nicht der Seehofer eigentlich die Kanzlerin ...? Langsam wird klar, das kann eine lustige Runde werden. Maaz hat noch mehr.

Die Gäste haben wirklich viel Geduld mit Maaz

"Ich will für das Land da sein", hat Merkel gesagt. Das muss ihr keiner glauben. Und jeder darf annehmen, dass das, was Merkel als gut für das Land empfindet, nicht der eigenen Empfindung entspricht. Doch Maaz setzt noch einen drauf: Das sei eine "narzisstische Formulierung! ICH gebe etwas! Aber, was tut sie denn real?"

Annegret Kramp-Karrenbauer hat ja eine durchaus vermittelnde Art. Da habe Herr Maaz vielleicht einen etwas falschen Eindruck, sagt sie.

Maaz hört nicht auf: Merkel will die "Politik der Wirklichkeit anpassen", zitiert er die Kanzlerin aus dem Interview mit Anne Will. Aber: "Wer ist die Wirklichkeit? Wer macht sie?" Er hätte gerne die "Vorstellung, dass sie Wirklichkeit beeinflusst", also Merkel.

Jetzt versucht es di Lorenzo, die Gäste haben wirklich viel Geduld mit Herrn Maaz. Es gebe keine einfachen Lösungen. Und er habe es eben ganz angenehm gefunden, dass Merkel nicht sofort irgendwelche Lösungen präsentiert habe, die am Ende nicht zu halten seien. Und wenn sie zuvor erklärt hätte, sie trete nicht noch einmal an, "das wäre - weiß Gott - die schlimmere Alternative gewesen". Das muss Wowereit natürlich anders sehen. Es wäre jedenfalls kein Weltuntergang, sagt er, wenn Merkel nicht antreten würde.

"Im Protest liegt eine Wahrheit, die ich ehre"

Maaz sagt: "Wenn es so weitergeht, kann es nur schlimmer werden." Und setzt leise ein "Tschuldigung" hinterher, warum auch immer.

Später sagt er noch: "Im Protest liegt eine Wahrheit, die ich ehre! Ich ehre den Protest, weil wir im Protest etwas erkennen können." Und ja, er ehre auch den Protest von Pegida. Von allen, von Pegida und AfD bis Campact und Attac. Mit Ausrufezeichen, natürlich.

Die Runde ist bald hilflos. Sie reden jetzt darüber, dass ernst nehmen nicht so weit gehen kann, nicht zu widersprechen. Dass die AfD doch einfach mitstreiten soll um den richtigen Weg, statt alles verbal in Grund und Boden zu dreschen. Und dass jeder bitte anständig behandelt werden solle.

Wowereit hält dann noch ein flammendes Plädoyer für die Political Correctness. Weil die etwas mit Verantwortung dafür zu tun habe, wie eine Debatte im öffentlichen Raum geführt werden sollte. Woran er dezent auch Maaz erinnert. Der sogar zustimmt.

"Der Kapitalismus in dieser Form ist am Ende!"

Anne Will will mit Maaz aber auch noch über "Gefühlsstau" reden. Schließlich ist er deshalb eingeladen worden. Und Maaz beginnt, dass das Problem ja darin liege, dass die "oppositionellen Gedanken" sich in den etablierten Parteien nicht wiederfänden. Aber dass es ein Bedürfnis nach einer anderen Lebensweise gebe. Konkreter wird es leider nicht.

Darum fragt Wowereit, ob es konkreter geht. Und Maaz sagt: "Der Kapitalismus in dieser Form ist am Ende!" Spätestens da ist der Moment gekommen, wo die Runde auch nicht mehr wirklich weiterweiß.

Will fragt noch, woher denn Maaz seine Erkenntnisse beziehe. Er sagt: "Ich höre, ich sehe." Wie heißt es so schön: Dem ist wohl nichts hinzuzufügen.

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