Tagesschau:"Erstaunt und empört"

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Berichtet in eigener Sache: Juliane Leopold, Chefin von ARD-aktuell. (Foto: Thorsten Jander/NDR)

Die Präsentation einer Corona-Studie darf nicht live ins Netz. Die "Tagessschau" sieht einen gefährlichen Präzedenzfall, der DJV protestiert. Das Bezirksamt Berlin-Mitte verteidigt sich.

Von Claudia Tieschky

Die Tagesschau hat mit einer Stellungnahme in eigener Sache auf ihrer Homepage das Bezirksamt Berlin-Mitte scharf angegriffen. Der Grund: Das Amt hatte der Tagesschau verboten, eine per Video abgehaltene Pressekonferenz vom Mittwochnachmittag live ins Internet zu übertragen. Dabei wurden zusammen mit dem Robert-Koch-Institut die Ergebnisse einer Studie zum Coronavirus vorgestellt. Für die Studie waren 2000 Erwachsene auf Antikörper untersucht worden, auch die Frage, wie viele Menschen ohne erkennbaren Krankheitsverlauf infiziert waren, war Teil der Untersuchung.

Die Tagesschau zitiert aus einer Begründung des Amtes, in der es heißt, dass für eine Live-Übertragung "eine Einverständniserklärung aller Teilnehmenden" erforderlich sei, "die den Mitschnitt und die anschließende Veröffentlichung einiger Passagen gutheißen müssten, würde man Ihnen hier die Erlaubnis zum Mitschneiden und Veröffentlichen erteilen wollen". Dies sei aber "nicht mehr zu bewerkstelligen". Hinzu kämen offene Fragen des Datenschutzes sowie womöglich auch des Urheberrechts, die das RKI erst prüfen müsse.

Dies dokumentiere die Tagesschau, "um der Öffentlichkeit zu erklären, warum die Pressekonferenz nicht live übertragen werden konnte", heißt es in der Erklärung. Teilnehmer an der PK hätten öffentliche Ämter inne - "die Presse muss darüber ohne Einschränkungen berichten können". Juliane Leopold, Chefredakteurin Digitales von ARD-aktuell, spricht von einem "Präzedenzfall". Es sei gefährlich, "Livestreaming einer Pressekonferenz zur Corona-Lage zu verhindern". Tagesschau.de berichtet auch davon, dass der Deutsche Journalistenverband (DJV) über die Begründung der Behörde "erstaunt und empört" sei, Sprecher Hendrik Zörner wird mit den Worten zitiert, eine Pressekonferenz sei "nicht ein privater Plausch, der Außenstehende nichts angeht". Die Behörde mache sich lächerlich, es gebe "keinen einzigen nachvollziehbaren Grund, die Pressekonferenz nicht im Livestream zu übertragen". Datenschutz und Schutz der Privatsphäre seien "keine Hinderungsgründe". Das Verbot befeuere Verschwörungstheorien.

Der Bezirksbürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel, veröffentlichte zu dem Fall am Donnerstag eine Erklärung, in der er bedauerte, dass der Livestream nicht zustande gekommen sei. Man wolle das beim nächsten Mal "von vornherein" möglich machen. Da die Möglichkeit eines Livestreams "mangels Erfahrung mit Online-Pressekonferenzen im Bezirksamt" nicht vorgesehen gewesen sei, "war auch keine*r der Teilnehmenden über die Möglichkeit eines Livestream-Formates informiert worden". Das Bezirksamt habe Aussagen des Berliner Datenschutzbeauftragten zum Livestream von BVV-Sitzungen entnommen, dass ein Livestream eine Übermittlung personenbezogener Daten darstelle, die nach der Datenschutzgrundverordnung eine Einwilligung der Betroffenen erfordere. Wegen der kurzfristigen Tagesschau-Anfrage habe man nach Rücksprache mit dem RKI einer Übertragung daher nicht zustimmen können. Man habe keine Informationen zurückhalten wollen, erklärt von Dassel. Darunter findet sich ein Link zur Seite des RKI mit den Ergebnissen der Studie.

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