Serie "8 Tage":Apokalypse light

Lesezeit: 3 min

Nach dem 1. Mai sieht es schlimmer aus: Auf den Berliner Straßen zieht in "8 Tage" zahmes Chaos auf. (Foto: Stephan Rabold/Neuesuper/Sky)
  • Statt der Postapokalypse will die Serie 8 Tage die Vorgeschichte zum Ende der Welt erzählen.
  • Doch das Chaos, das die Serie darstellen will, wirkt nicht glaubhaft.
  • Die meisten Figuren entkommen zudem nicht ihren Rollenklischees, wodurch die Serie wie standardisierte Fernseh-Routine wirkt.

Von Benedikt Frank

Bald ist Schluss. Noch acht Mal geht die Sonne unter, dann liegt der Schrebergarten in Asche, der Kölner Dom in Trümmern, wo sich die Autobahn durchs Land zieht, ist dann ein Kraterfeld. Ein Asteroid rast auf Europa zu. Wer in der Todeszone wohnt, hat drei Optionen für die Wochenplanung: Man kann versuchen zu fliehen, sich in einen Bunker verkriechen und hoffen, dass er hält, oder mit dem Leben abschließen und der verbleibenden Zeit noch irgendwie Sinn geben. Die neue Serie 8 Tage stellt Zuschauern die Frage, wie sie selbst entscheiden würden, und spielt verschiedene Szenarien anhand einer Berliner Familie durch.

Hinter der Serie steckt die Produktionsfirma Neuesuper. Zuletzt setzte sie mit der bayerischen Lokalpolitik-Satire Hindafing eine ungewöhnliche Note im gemächlichen Programm des Bayerischen Rundfunks, Netflix sicherte sich die Streamingrechte, eine zweite Staffel ist in Arbeit. Bei 8 Tage will man nun nichts dem Zufall überlassen. Regie führt unter anderem Oscarpreisträger Stefan Ruzowitzky, im Ensemble findet sich Prominenz: unter anderem mit Christiane Paul, Henry Hübchen und den Tatort -Kommissarsdarstellern Mark Waschke, Fabian Hinrichs und Devid Striesow, wobei Striesow gerade aufgehört hat. Vor Ausstrahlung sorgte Sky mit einer fragwürdigen Werbeaktion für Aufsehen. Ganzseitige Anzeigen auf den Titelseiten von Boulevardzeitungen berichteten vom angeblichen Weltuntergang. "Ist in 8 Tagen alles zu Ende?" stand da zum Beispiel in riesigen Lettern, flankiert von dem Hinweis "Nur bei uns: Münchens letzte Tickets in die USA" und der Frage "Welche Grenzen sind noch offen?" Ganz klein in der Ecke war der Hinweis "Werbung" nachzulesen.

Die Vorgeschichte zum Ende der Welt ist ein originelles Szenario

Apokalyptische Szenarien sind in vielen neuen, aufwendigen Serien nicht ungewöhnlich. Doch spielen sie wie etwa in der Zombieserie The Walking Dead in der Regel erst nach dem Zusammenbruch der Gesellschaft. Die Vorgeschichte zum Ende der Welt überhaupt zu erzählen, ist bei all den Serien zur Postapokalypse tatsächlich ein originelles Szenario. Interessant ist daran zunächst, dass sich 8 Tage eine Fluchtbewegung ausmalt, die nicht nach Europa führt, sondern davon weg. Herrmann sucht als Mitglied des Berliner Politikbetriebs mit seiner schwangeren Partnerin den Weg in die USA. Auf einen Platz im Flugzeug kann nur hoffen, wer wie er einen gewissen Status hat. Das erinnert an die selektive Flüchtlingsaufnahme vor dem Zweiten Weltkrieg.

Die Familie seiner Schwester Susanne hat derweil all ihr Geld zusammengekratzt, um sich von Schleusern über die russische Grenze bringen zu lassen. Bezeichnend ist, dass die Flucht in den Süden keinem der Protagonisten in den Sinn kommt, auch nicht, als die verschiedenen Optionen scheitern - und das tut eine nach der anderen.

So treffen sich schließlich doch wieder alle in Berlin. Wer geblieben ist, flüchtet innerlich: in Alkohol, Partyexzesse, vergangene Liebe oder in den religiösen Rausch. Wer das Überleben noch nicht ganz aufgeben hat, versucht, sich unterirdisch zu verkriechen. Einerseits gibt es private Bunker, ein Prepper, also einer, der auf den Untergang vorbereitet war, hat seine sadistische Freude daran, recht behalten zu haben und nun seine Macht ausüben zu können. Andererseits hätte die Bundesregierung vor dem Weltuntergang auch Zeit zur Vorsorge gehabt, doch es ist ja bekannt, wie Großbauprojekte in Berlin manchmal verschleppt werden, in der Serie kommt noch Korruption dazu. Es gibt jedenfalls nicht genug Bunkerplätze, und die öffentliche Ordnung existiert nicht mehr.

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Wobei Letzteres nicht ganz stimmt. 8 Tage enthält zwar viele Szenen, die wenig subtil deutlich machen sollen, dass die Staatsmacht sich auflöst. Doch sieht man der Serie nicht richtig an, dass Deutschland im Chaos versinkt. Der wichtigste optische Ausdruck dessen ist, dass die Müllabfuhr die Tonnen nicht mehr leert. Das Militär zieht in Straßen auf, die trotz hindrapierter Autowracks weniger kaputt wirken als nach brachialen 1.-Mai-Demos. Die Welt von 8 Tage ist ein künstliches Apokalypse-Diorama einer Hauptstadt, die wie ein ruhiges Dorf wirkt.

Erzählerisch gibt es zudem wenig Überraschungen. Die meisten Figuren entkommen nicht ihren Rollenklischees. Ein überkorrekter Polizist mit Migrationshintergrund schreibt noch in seiner letzten Szene einen Strafzettel. Überdeutlichkeit erklärt alles kaputt: So ist etwa von Anfang an klar, dass es in der Serie um das Leben mit Ausblick auf den sicheren Tod geht, trotzdem muss ein Krebspatient im Endstadium in einer Rückblende die fünf psychologischen Phasen des Sterbens erklären. In allem erinnert 8 Tage an das, was man oft im Tatort bekommt: etwas, das zwar qualitativ am oberen Ende des deutschen Fernsehbetriebs angesiedelt, aber doch standardisierte Routine ist. Das kann man am Sonntagabend machen, doch in dem Überangebot aufregender Serien, mit denen Streamingdienste und Pay-TV locken, ist 8 Tage keine ernsthafte Konkurrenz.

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© SZ vom 01.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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