Süddeutsche Zeitung

Pressefreiheit:Verfolgt trotz Assad-Treue

  • Syrische Wochenzeitungen wie al-Ayam wurden auf Druck der syrischen Behörden geschlossen, der Eigentümer vorübergehend verhaftet.
  • al-Ayam und andere verfolgte Publikationen waren aber alles andere als Oppositionsmedien, Chefredakteuer Ali Hassoun kein Gegner des Assad-Regimes.
  • Die Journalisten hatten es aber teils gewagt, auf Missstände hinzuweisen, etwa auf die hohe Inflation oder die Wohnungsnot in Folge von Krieg und Flucht.

Von Moritz Baumstieger

Sein letzter Leitartikel trug den Titel "Ein Kämpfer nimmt eine Auszeit", seither ist es still um Ali Hassoun geworden. In dem Mitte Mai erschienenen Text beklagte der Chefredakteur der syrischen Wochenzeitung al-Ayam den immer größeren Druck, dem Medienschaffende in seinem Land ausgesetzt seien, schrieb von der "harschesten Zeit in der Geschichte der syrischen Presse". Dass Hassoun aus seiner Auszeit zurückkehrt, ist unwahrscheinlich. Im Mai wurde das Blatt auf Druck der Behörden geschlossen, der Eigentümer vorübergehend verhaftet.

Dabei war al-Ayam alles andere als eine Oppositionszeitung, Ali Hassoun alles andere als ein Gegner des syrischen Machthabers Baschar al-Assad: Eine der letzten Ausgaben feierte in patriotischem Ton die syrischen Frauen, die an der Heimatfront die Aufgaben der in den Kampf gezogenen Männer übernehmen. Hassoun postete auf seiner privaten Facebookseite Bilder eines gut gelaunten russischen Außenministers Sergej Lawrow, der seinen Verbündeten Assad im UN-Sicherheitsrat beharrlich vor diplomatischem Ärger schützt. "Wer zuletzt lacht, lacht am besten", schrieb Hassoun darunter - in Bezug auf die eigene Situation dürfte er aber wie viele andere syrische Journalisten mittlerweile kaum an ein Happy End glauben.

Die "Auszeit" Hassouns fügt sich in eine Reihe ähnlicher Vorkommnisse. In den vergangenen Monaten häuften sich Fälle von Journalisten, die verhaftet wurden, von Influencern, deren Kanäle aus den sozialen Medien verschwanden, von TV-Reportern, die in Ungnade fielen, nachdem sie lange mit den Einheiten der syrischen Armee von Sieg zu Sieg geeilt waren.

"Assad-treue Journalisten im Visier" meldete "Reporter ohne Grenzen"

Gegnern des Regimes ist die Arbeit in dem seit 1963 von der Baath-Partei beherrschten Syrien ohnehin unmöglich, in Bedrängnis geraten nun auch Unterstützer. "Assad-treue Journalisten im Visier" meldete die Organisation "Reporter ohne Grenzen" Mitte August und berichtet von mindestens 13 Fällen, in denen Medienschaffende in den vergangenen zwölf Monaten bedroht oder verhaftet wurden, weil sie angeblich "die Moral der Nation untergraben" oder "dem Ruf des Staates schaden".

Dass das Regime nun gegen seine eigenen Propagandisten vorgeht, liegt paradoxerweise in den militärischen Erfolgen begründet, die es mit Unterstützung Irans und Russlands erringen konnte. Damaskus hat wieder die Kontrolle über fast alle einst von Aufständischen beherrschten Gebiete, nur in Idlib im Norden des Landes wird noch äußerst heftig gekämpft. Und aus dem selben Grund, aus dem das Regime in zurückeroberten Städten die gestürzten Statuen von Hafiz al-Assad wieder errichten lässt, dem Vater und Vorgänger des heutigen Diktators, versucht es auch in der Medienlandschaft die Uhren wieder auf Null zu stellen: Wir mögen eine Krise durchlebt haben, so die Nachricht, geändert hat sich im Land jedoch nichts.

Dass das Regime zumindest einen Hauch von Reform zulässt, mögen Journalisten wie Ali Hassoun bei aller Treue gehofft haben. Blätter wie al-Ayam hatten es teils gewagt, auf Missstände hinzuweisen, etwa auf die hohe Inflation oder die Wohnungsnot in Folge von Krieg und Flucht. So lange die Kritik vorsichtig formuliert war und nur auf die Sache, nicht auf die Spitzen des Staates zielte, ließen die Sicherheitsapparate die Journalisten gewähren. Auch, weil sie in Zeiten des Aufstands mit anderen Problemen ausgelastet waren. Besonders sensible Themen klammerten fast alle Journalisten ohnehin weiter aus, auch wenn Assads Informationsministerin Imad Sara kürzlich behauptete, es gebe in der Berichterstattung keine "roten Linien" mehr. Ein spezielles Gericht für "Informations- und Kommunikationsverbrechen" schuf die Regierung 2018 dennoch.

Bürgerjournalisten berichteten nun über die Erfolge der Armee

Mit seiner harten Linie zielt das Regime nun auch auf eine neue Generation von Medienschaffenden, die es selbst geschaffen hat: Weil die herkömmlichen, von Partei und Regierung kontrollierten Zeitungen und Sender mit ihrer altbackenen Art selbst Regimeloyalisten langweilten, erarbeitete ein Team um die ehemalige al-Jazeera-Moderatorin Luna al-Chebel eine neue Medienstrategie für die Assads. Zum einen brachte sie die Präsidentenfamilie mit eigenen Accounts in die sozialen Medien. Zum anderen kopierte das Regime von nun an ein Erfolgsrezept der Opposition und versuchte, durch alternative Medienplattformen im Internet das Narrativ des Konfliktes zu ändern: Mit exklusiven Zugängen ausgestattete Bürgerjournalisten berichteten nun über die Erfolge der Armee und darüber, wie das Leben in den Gebieten unter Assads Kontrolle weiter floriert - Krieg und Krise zum Trotz.

Die Seite Damascus Now des Influencers Wissam al-Teir erreichte mit diesen Inhalten teils mehr als 2,7 Millionen Follower, ähnlich viele folgten dem Reporter Rida al-Basha, der für einen mutmaßlich von einem Cousin Assads finanzierten libanesischen Sender arbeitete, seine Frontberichte aber auch im Facebook-Livestream sendete. Nachdem beide begannen, vorsichtig über Themen wie Korruption und den daraus resultierenden Treibstoffmangel zu berichten, mussten sie feststellen, dass ihre Popularität keinen Schutz bedeutet: Al-Basha, der eben noch die Siege der Armee feierte, wurde des Landes verwiesen, nachdem er die Lebensbedingungen in Aleppo ansprach. Und al-Teir, der bisher direkten Zugang zur Präsidentengattin Asma al-Assad hatte und von ihr ausgezeichnet wurde, verschwand im Dezember spurlos. Seine Familie hörte erst wieder von ihm, als er im August nach acht Monaten in verschiedenen Gefängnissen der Geheimdienste freigelassen wurde.

Während seiner Haft blieb al-Teirs Seite Damascus Now einige Zeit online, nun wohl vom Geheimdienst oder genehmeren Redakteuren bestückt. Ähnliches droht offenbar auch dem Journalisten Hassoun: Vor einer Woche kündigte das Blatt al-Ayam im Netz das Ende seiner Auszeit an. Als Illustration war die Übergabe eines Staffelstabes gewählt - im Impressum steht nun unter der Rubrik "Chefredakteur" ein anderer Name als der von Ali Hassoun.

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Quelle:
SZ vom 29.08.2019
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