Synchronsprecher von Robert De Niro:Der Vorleser

Verleihung deutscher Synchronpreis

Christian Brückner synchronisiert unter anderem Robert De Niro und Harvey Keitel.

(Foto: dpa)

Christian Brückner kennt jeder - zumindest seine Stimme. Unzählige Hörbücher und TV-Dokus hat er gesprochen, seit 40 Jahren synchronisiert er Schauspieler Robert De Niro. Jetzt wird er 70. Ein Treffen.

Von Viola Schenz

Christian Brückner ist sprachlos. Das kommt selten vor bei ihm, aber gerade hat er erfahren, dass Alice Munro den Literaturnobelpreis erhält, und diese Nachricht hat ihn dann doch freudig überrascht - und kurz verstummen lassen. Alice Munro kennt er bestens, Brückner hat die deutschen Übersetzungen der Kanadierin in seinem Parlando Hörverlag gelesen und herausgebracht. Und so greift an jenem Nachmittag vergangene Woche auf der Frankfurter Buchmesse plötzlich alles nach den Alice-Munro-Hörbüchern, die Brückner an seinem Stand mit ausliegen hat.

Christian Brückner ist: "die bekannteste deutsche Stimme", "der erfolgreichste Sprecher Deutschlands" oder einfach nur "The Voice". Es wird kaum jemanden in dieser Republik geben, der ihn nicht schon einmal irgendwo gehört hat: als Synchronstimme von Robert De Niro, Alain Delon, Warren Beatty, Peter Fonda, Harvey Keitel, Donald Sutherland oder Dennis Hopper; als Sprecher in Hörspielen, Hörbüchern, Reportagen, Dokumentationen; als Dauer-Off in Guido Knopps Geschichts-TV.

Er bekam Hörspiel- und Vorlesepreise, den Deutschen Hörbuchpreis, den Grimmepreis in Gold, und vergangenes Jahr dann noch den "Hörbuchpreis für sein Lebenswerk". Das klingt nach getaner Arbeit, nach bevorstehendem Ruhestand. Nicht bei Brückner. Diesen Donnerstag wird der Mann mit dem grauen Wuschelkopf 70 Jahre alt, trotzdem arbeitet er besessen weiter. Zwölf Stunden am Tag im Studio sind keine Seltenheit, allein in dieser Woche stehen zwei neue De-Niro-Synchronisationen an, und dann ist da noch das nächste Parlando-Großprojekt: Goethes Wahlverwandtschaften.

Luxus im Alter

Den, wie er sagt, "klitzekleinen" Hörbuchverlag hat er 2000 mit seiner Frau Waltraut daheim in ihrem Haus am Berliner Stadtrand gegründet. Mit einem Zwei-Personen-Unternehmen ist viel Arbeit verbunden, Bürokratie, Absprachen, Rechteverhandlungen, Marketing, lästiger Kram halt, und ja, eben auch das Rumstehen auf Buchmessen. Frau Brückner ist Toningenieurin, Regisseurin, seit Jahrzehnten sind sie ein eingespieltes Team, er am Mikrofon, sie im Regieraum, dazwischen die Glasscheibe. Sie ist seine schärfste Kritikerin, sagt er, gehe bei den Aufnahmen streng mit ihm um, und das sei gut so.

Neben Erfolgsautoren wie Alice Munro produzieren die beiden Hemingway und Kafka, Poe, Mann und Stifter, Joseph Conrad und J. M. Coetzee oder Melvilles Moby Dick, 30 Stunden lang auf CD, die Odyssee, ungekürzt, Lyrik aus diversen Jahrhunderten, vor allem aber junge Autoren, unbekannte Autoren - vieles davon bestsellerunverdächtige Ware. "Wir wählen ein Werk schlichtweg danach aus, ob es uns gefällt", erklärt Brückner. "Das ist der Luxus, den man sich in unserem Alter leistet."

Er kann ihn sich leisten. Anfragen der Rundfunkanstalten für Hörspiele oder Sprecherrollen kommen pausenlos, auch Unternehmen klopfen immer wieder an. Brückner hat schon mal Reklame gesprochen, einen Spot für Porsche, einen für Pro Sieben. Sofort gab es Gemecker aus dem Schöngeistbetrieb, wie könne er, Brückner, seinem Kulturauftrag untreu werden und sich dem Kommerz hingeben. Er lacht: "Ich kann das verstehen, ich hatte selber mal diesen puristischen Ansatz: Werbung, igitt! Aber ich habe so wenig Werbung gemacht in meinem Arbeitsleben, dass das heute keine Rolle spielt."

Gentlemen's Agreement

Sein Arbeitsleben sollte immer eines sein: unabhängig. Deswegen hat er auch vor 13 Jahren Parlando gegründet. Weil er es satt hatte, dass mit dem Hörbuch-Boom der späten Neunzigerjahre seine Stimme, seine Lesungen immer wieder aufs Neue vermarktet wurden. Jetzt, mit den Eigenproduktionen, besitzt er die Rechte - und die Freiheit, darüber zu verhandeln, mit Hörfunksendern etwa, die CDs aus der Brücknerschen Werkstatt gerne ins Programm nehmen. "Eine angenehme Art, das Programm der ARD mitgestalten zu können", meint Brückner schmunzelnd, angesichts des "schrumpfenden Kulturangebots bei den Öffentlich-Rechtlichen".

Dieser Unabhängigkeit halber hat er sich auch nie anstellen lassen oder vertraglich verpflichtet. Die stimmliche Symbiose mit De Niro etwa ist ein Gentlemen's Agreement, niemand schreibt ihm diesen Part vor. "Es gibt keine Verträge, es gibt keine Exklusivität", erklärt Brückner.

Seit 1974 ist er De Niros stimmliches Alter Ego. Damals sprach er ihn als jungen Vito Corleone in Der Pate II. Zwei Jahre später bekam er wieder eine Rolle in einem Martin-Scorsese-Film, diesmal wählte ihn der amerikanische Regisseur sogar persönlich aus als deutsche Stimme von Robert De Niro als Travis Bickle in Taxi Driver. Mehr als 60 Mal hat er De Niro bisher gesprochen, das kleine schmutzige De Niro-Lachen, das bekommt nur Brückner so gut hin. Sogar besser, finden manche.

"Dann bin ich eben stilbildend"

Als rau, brüchig, melancholisch, fast elend klingend wird seine Stimme charakterisiert. Es ist das vermeintlich Unperfekte, das sie perfekt macht. Andere Sprecher haben immer wieder versucht, sie zu imitieren. Ärgert ihn das, oder schmeichelt es ihm? "Anfangs hat mich das empört", sagt er, "mittlerweile ist es mir gleichgültig - dann bin ich eben stilbildend."

Ihn zu kopieren, ist eh unmöglich, Brückner ist Perfektionist. Tage, je nach Textlänge auch Wochen, verbringt er damit, ein Werk zu studieren, bevor er in die Aufnahme geht. "Ich bereite nicht nur die Sätze und Wörter vor, sondern auch einzelne Silben", sagt er. "Der Text ist festgelegt, auch wenn viele Stellen natürlich einem fast jazzartigen Zufall überlassen sind, sobald das Mikro angeht." Sich nach all dem Aufwand selbst anhören, das tut er allerdings nicht, weil der "jazzartige Zufall" irgendein penibel ausgetüfteltes Detail platt gemacht haben könnte: "Ich wäre automatisch unzufrieden, ich würde durchdrehen. Ich brauche jahrelangen Abstand, erst dann kann ich es hören."

Eigentlich wollte er Schauspieler werden, es gab auch ein paar kleine TV-Rollen, und in New York, wo die Familie ein Apartment hat, tritt er immer wieder in Off-Theatern auf. Schauspieler ist er geblieben, bei Gesprächen greift er sich an Stirn oder Brust, packt einen am Arm, springt auf, wandert redend und gestikulierend auf und ab. Seine Ambition hat er ins akustische Darstellen gesteckt, ins Sprechen. Christian Brückner spielt nur mit Worten.

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