"Wer schickt dich?", fragt das blonde Mädchen Marianne. Harry, der sich gegen ihren Willen Zugang zur Wohnung verschafft hat, antwortet: "Nur du, du hast mich doch kommen lassen!" Und weil der Zuschauer zu diesem Zeitpunkt schon weiß, dass der töpelhafte Harry gerne an teurer Frauenwäsche riecht und in seiner Tasche Klebeband und Kabel hat, ist das schon ein bisschen gruselig. Zumal sich in der Wohnung der Familie Klebfisch ein weiterer Unhold herumtreibt und das ganze Geschehen beobachtet. Wenn er durch eine Tür linst, legt er - Achtung Zuschauer, böse Absichten! - eine schwarze Lederhandschuhhand an den Rahmen.
Mehr als 35 Jahre lang lag der Tatort "Der gelbe Unterrock" nach der Erstausstrahlung 1980 im sogenannten "Giftschrank". An diesem Samstag strahlt das SWR Fernsehen die Episode um den Mord am Mädchen Marianne nun zum zweiten Mal aus. Im Giftschrank, diesem imaginären Möbel, werden Tatorte aufbewahrt, die die Öffentlich-Rechtlichen mit einem Sperrvermerk versehen haben. Weniger als zehn Krimis sind derzeit zwangseingemottet. Folge 109 wurde nach Zuschauerprotesten weggesperrt: Die Darstellung von Gewalt gegenüber Frauen sei zu explizit, hieß es, außerdem habe das Drehbuch Mängel. Die damalige Fernsehfilmchefin soll sich höchstpersönlich dafür eingesetzt haben, dass "Der gelbe Unterrock" mindestens bis zu ihrer Pensionierung nicht mehr gezeigt wird.
Aber ist der Krimi wirklich "eine der schlechtesten Tatort-Folgen", wie auf einer Fanseite zu lesen ist?
Panzerfaust versus Stahlkette
Im Wikipedia-Eintrag zur Episode ist ein einziger konkreter inhaltlicher Fehler benannt: Die Mainzer Fastnacht werde konsequent und fälschlicherweise als "Karneval" bezeichnet. Das mag manchen Mainzer auch heute noch empören. Der erste Hinweis, dass "Der gelbe Unterrock" indes nicht mehr zum Skandal taugt, findet sich in einer Fernsehzeitschrift: Dort ist neben dem Programmhinweis ein kleines graues Gesicht mit abfallenden Mundwinkeln abgebildet. 2016 heißt das "gähn".
Tatsächlich ist das mit der Spannung so eine Sache. Dieser Tatort wirkt gerade zu Beginn wie in Slow Motion erzählt. Und es wirkt fast komisch, wenn Harry Marianne mit einer Stahlkette bedroht - wo Til Schweiger als Kommissar Nick Tschiller jüngst eine Panzerfaust schulterte. Gewalt ist heute eher ein Anreiz zum Einschalten, das belegen die Ballerspektakel aus Hamburg.