Die Übergangslösung heißt erst mal: Sendepause. Nach viel Kritik an einer Podcast-Folge über den Bosnienkrieg hat der SWR diese Woche mitgeteilt, dass der Podcast Sack Reis vorerst aussetzen wird - "bis wir das alles aufgearbeitet haben". Die Diskussion um die umstrittene Folge, die schon Ende März veröffentlicht worden war, zieht sich seit Monaten.
Im Juli veröffentlichte die aus Bosnien stammende Journalistin Melina Borčak im Medienmagazin Journalist einen Beitrag mit dem Titel "Strafbar schlechter Journalismus" und warf den Macherinnen und Machern des Podcasts vor, in der Folge mit dem Titel "Kurz vor Krieg? Der zerbrechliche Frieden in Bosnien-Herzegowina" falsche Fakten und Genozidleugnung zu verbreiten. Borčak schreibt unter anderem: "Die Podcast-Folge zur politischen Situation in Bosnien eskalierte zu einem Beispiel dafür, was bei unsauberer journalistischer Arbeit schieflaufen kann und wie Redaktionen nicht mit Kritik umgehen sollten."
Dabei ist das Ziel des Podcasts eigentlich genau das Gegenteil, der Podcast will laut Selbstbeschreibung Streitpunkte offenlegen, "dies jedoch nicht ohne journalistische Einordnung und Kontext". Jede Folge thematisiert ein anderes Auslandsthema, mal erzählt eine Russin von ihrem Protest gegen Putins Krieg, mal spricht ein 18-Jähriger Franzose über das Leben in der Banlieue von Marseille.
In der viel kritisierten Folge war eine ethnisch serbische Politikstudentin zu Gast. Die junge Frau kam 1999 zur Welt, also vier Jahre nach dem Ende des Bosnienkriegs. Angesprochen auf den Genozid von Srebrenica sagt sie in der Folge unter anderem: "Ich war nicht dort, und die Geschichte hat immer zwei Seiten. Deshalb kann ich nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, was passiert ist." Der Völkermord von Srebrenica, in dem serbische Truppen 1995 mehr als 8000 bosnische Muslime ermordeten, gilt als eines der schwersten Kriegsverbrechen in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Der Internationale Gerichtshof stuft den Massenmord als Genozid ein.
SWR: "Wir sehen klar, dass wir Fehler gemacht haben und bitten hierfür um Entschuldigung."
"Alles war falsch an dieser Folge", sagt Melina Borčak der SZ am Telefon, "die Auswahl der Protagonistin war falsch, genauso wie die Art und Weise, wie das Interview geführt wurde." Eine Sprecherin des SWR teilt auf Nachfrage mit: "Wir nehmen die Kritik an der Podcast-Folge äußerst ernst und befassen uns fortlaufend damit. [...] Wir sehen klar, dass wir Fehler gemacht haben und bitten hierfür um Entschuldigung."
Als Reaktion auf die Kritik versah der SWR die entsprechende Folge mit dem Hinweis, dass es ein Fehler gewesen sei, die Folge zu veröffentlichen: "Unsere Einordnung der Aussagen unserer Gesprächspartnerin dazu war unzureichend."
Anfang der Woche stellte die Redaktion von Sack Reis zusätzlich eine Sonderfolge online, in der Melina Borčak eingeladen ist. Interviewt wird sie von der SWR-Moderatorin Stephanie Haiber und der SWR-Redakteurin Karin Feltes. Ein eher unglücklicher Wiedergutmachungsversuch. Die Gesprächspartnerinnen fallen sich so oft ins Wort, dass das Zuhören schwerfällt, der Ton ist scharf und nicht versöhnlich. Sie habe sich provoziert und ohne Respekt behandelt gefühlt, sagt Borčak gegenüber der SZ. "Wenn man mit traumatisierten Menschen spricht, kann man sie nicht einfach unterbrechen, während sie von dem erzählen, was ihrer Familie angetan worden ist. Vor allem nicht mit respektlos-sarkastischen Fragen."
Melina Borčak fände es richtig, wenn der SWR die Folge aus dem Netz nähme: "Sonst kann immer noch jeder bei Spotify drüber stolpern, ohne den Hintergrund zu kennen." Auf Nachfrage teilt die SWR-Sprecherin mit: "Wir sind allen Möglichkeiten gegenüber aufgeschlossen, die deutlich machen, dass uns nichts ferner liegt, als Menschen mit der Podcast-Folge zu verletzen oder gar zu (re)traumatisieren." Noch ist die Podcast-Folge weiterhin online.