Öffentlich-Rechtliche:Wildwest in Südwest

Dr. Kai Gniffke; Kai Gniffke

Anonym beschuldigt: Der Kandidat für die SWR-Intendanz und Chefredakteur von ARD-aktuell Kai Gniffke

(Foto: Thorsten Jander/NDR)
  • Der Rundfunkrat und der Verwaltungsrat des SWR haben Kai Gniffke und Stefanie Schneider als Kandidaten für die Intendantenwahl zugelassen.
  • Das Auslese-Verfahren hatte zuvor Streit ausgelöst.
  • Gniffke wird derzeit anonym vorgeworfen, Beitragsgeld zweckentfremdet zu haben, was die Chefredaktion von ARD-aktuell zurückweist.

Von Stefan Mayr

Der Parkplatz vor dem Sendehaus des Südwestrundfunks in Stuttgart-Ost ist extra abgeriegelt für all die Herrschaften des Rundfunkrats und des Verwaltungsrats. Die Fläche ist dann auch vollgestellt mit prächtigen Limousinen und den Fahrern, die ihre Landräte, Bürgermeisterinnen und sonstigen wichtigen Persönlichkeiten herchauffiert haben. Sehr viel Aufwand für eine Sitzung, die dann sehr schnell fertig ist. Drinnen im "Studiosaal" wird der wichtigste Tagesordnungspunkt in nicht-öffentlicher Sitzung schnell abgehakt: Es geht um die Wahl des neuen SWR-Intendanten, das ist immerhin die zweitgrößte ARD-Anstalt. Das Auslese-Verfahren hatte zuvor mächtig Streit ausgelöst über die Frage, ob von einer Handvoll aussichtsreicher Bewerber nur zwei zum Wahltermin antreten dürfen. Oder doch alle?

So groß der öffentlich ausgetragene Zoff zuvor war, so klein ist an diesem Freitagmorgen der Diskussionsbedarf. Mit 70 Ja-Stimmen, vier Enthaltungen, einer einzigen Gegenstimme und einer Ultrakurz-Aussprache wird der Vorschlag der Findungskommission abgenickt. Das Kandidatenfeld bleibt also beschränkt auf Kai Gniffke (Chefredakteur von ARD-aktuell) und Stefanie Schneider (Landessenderchefin Baden-Württemberg). Sie dürfen sich und ihre Konzepte am 23. Mai den 18 Verwaltungsräten und 74 Rundfunkräten vorstellen, ehe diese dann mit vereinten Kräften abstimmen, wer die Anstalt künftig leiten wird. Alle anderen Bewerber bekommen die Chance einer persönlichen Präsentation nicht.

Diese Vorab-Begrenzung hatten viele Gremium-Mitglieder harsch kritisiert, doch all die Widerworte lösen sich am Freitag unter den Neonröhren des Studiosaals in trockene Luft auf. Grund des kurzen Prozesses: Schon im Vorfeld der - nur noch auf dem Papier - entscheidenden Sitzung wurde das Abstimmungsverhalten in inoffiziellen Runden eingetütet; Donnerstagabend und Freitagmorgen trafen sich die sogenannten Freundeskreise. Der "schwarze" mit den konservativen Gremium-Mitgliedern. Der "violette" für die Frauen. Der "rote" für die SPD-nahen Männer und Frauen und der "graue" für die eher unabhängigen Vertreter der Bürgerschaft. In diesen Hinterzimmer-Zirkeln wurde ausgekartelt, was später im Studiosaal mit seinem dicken grauen Teppich durchzuwinken ist.

Auf manchen Beitragszahler mag das wirken wie Wildwestrundfunk statt Südwestrundfunk. Und angesichts der schwindenden Akzeptanz der öffentlich-rechtlichen Sender sowie demnächst wohl steigender Beiträge wird dieses Vorgehen von dem einen oder anderen Gremium-Mitglied hinterfragt. Geändert hat das allerdings nichts. Selbst der aussortierte Bewerber Clemens Bratzler (Vize-Landessenderchef) fügt sich der althergebrachten Entscheidungsfindung: "Ich respektiere die Entscheidung."

Also alles wieder gut im wilden Südwesten, wo der Sender zwei Bindestrich-Bundesländer (Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz), drei "Hauptstandorte" (Stuttgart, Mainz, Baden-Baden) und jede Menge Befindlichkeiten unter einen Hut bringen muss? Das darf bezweifelt werden. Vielmehr ist zu befürchten, dass die Unterstützer der Zukurzgekommenen dem oder der später Auserwählten reichlich Steine in den Weg legen werden.

Einen Vorgeschmack auf das künftige Gegeneinander gibt ein anonymer Brief, der Mitte März an alle ARD-Intendanten geschickt wurde. Darin wird Kandidat Kai Gniffke vorgeworfen, er habe als Tagesschau-Chef beim Umbau des Nachtprogramms Beitragsgeld zweckentfremdet.

Die Chefredaktion von ARD-aktuell weist diesen Vorwurf auf SZ-Anfrage zurück: "Die Verwendung der Mittel erfolgt transparent und wird kontinuierlich von der ARD geprüft." In dem angeblich von Mitarbeitern der ARD-aktuell-Redaktion verfassten Schreiben wird Gniffke auch vorgeworfen, er verbreite ein Klima der Angst. Gniffke wollte den Angriff aus dem Off zunächst nicht kommentieren.

Wer nun bei der Wahl das Rennen macht? Das ist offen. Allerdings wird Gniffke ein kleiner Vorteil zugesprochen. Weil er auf dem Ticket von Rheinland-Pfalz fahre, habe er die Stimmen aus diesem Bundesland weitgehend sicher. Zudem könne er mit konservativen Stimmen aus Baden-Württemberg rechnen, glaubt ein Gremium-Mitglied. Andererseits sei die Stimmkraft der Frauen nicht zu unterschätzen - im Wahlgremium sitzen mehr Frauen als Männer. Sicher ist nur eines: Die Entscheidung fällt in den Freundeskreisen.

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