Süddeutsche Zeitung

Südwestrundfunk:Stunk beim Funk

Die anstehende Wahl eines neuen Intendanten bringt Unruhe in die Zwei-Länder-Anstalt SWR. Verwaltungsdirektor Büttner zieht seine Bewerbung zurück und legt Missstände offen.

Von Max Hägler und Stefan Mayr, Stuttgart

So eine öffentlich-rechtliche Sendeanstalt ist per se ja schon ein komplexes, um nicht zu sagen unüberschaubares Gebilde. Im Falle des Südwestrundfunks (SWR) ist das Arbeiten und Entscheiden doppelt vertrackt. Denn hier müssen in den diversen Gremien zwei Bindestrich-Bundesländer unter einen Hut gebracht werden, die ansonsten nicht gerade viel miteinander zu tun haben. Hier das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg, dort die rot-gelb-grüne Koalition von Rheinland-Pfalz. Hier das zur Biederkeit neigende Schaffe-Schaffe-Stuttgart, dort dass eher schillernde Mainz-bleibt-Mainz-Mainz. Und dann funkt da auch noch Baden-Baden dazwischen, der dritte Standort, der im Kampf um Einfluss, Macht und manchmal auch Inhalte fleißig mitredet.

Jetzt muss dieser Sender auch noch einen neuen Intendanten respektive eine neue Intendantin wählen, weil Noch-Boss Peter Boudgoust Mitte 2019 seine Amtszeit vorzeitig beendet. Noch hat das zuständige Gremium nicht einmal über das Prozedere der Wahl entschieden, die Sitzung hierzu soll am Freitag in Stuttgart stattfinden. Dennoch tobt seit Wochen ein Machtkampf. Es scheppert und kracht hinter den verschlossenen Türen der Anstalt, aber auch davor, und der letzte Stand ist dieser: Von den fünf aussichtsreichsten Kandidaten sind zwei deutlich bevorzugt, einer der übrigen drei, Jan Büttner, hat nun entnervt zurückgezogen. Und das unrühmliche Gezerre damit umso deutlicher gemacht.

Büttner, gelernter Journalist und weithin geschätzter Verwaltungsdirektor des SWR, war eigentlich als Favorit für den Intendanten-Posten gehandelt worden. Seinen Rückzug hat er flankiert mit einem Rundbrief, der so manche Missstände im Sender anspricht: "Leider hat das Gegeneinander von Direktionen und Standorten in den letzten Jahren stark zugenommen", kritisiert Büttner. Er fordert mehr "arbeitsteiliges" Miteinander und stellt fest, dass es der SWR 21 Jahre nach der Fusion von SDR und SWF immer noch nicht geschafft habe, eine Einheit zu werden. Es gebe innere "Gegensätze".

Und weiter: "Wenn wir das Gleichgewicht zwischen den drei Hauptstandorten dabei gut austarieren, dann werden wir endlich ein SWR." Dieser Satz sagt viel über das kuriose Konstrukt. Drei Haupt-Standorte? Gibt es auf der Welt sonst noch eine Firma mit drei Zentralen? Eher nicht. Der SWR ist ein Monster mit drei Köpfen, die einander in vielen Dingen spinnefeind sind. "Wir müssen in unseren Strukturen - auch im Programm - effizienter werden", schreibt Jan Büttner. "Der multimediale Umbau hat in der Praxis teilweise zu überbordenden Planungs- und Abstimmungsprozeduren geführt."

Die Rücknahme seiner Bewerbung begründet er damit, dass er "weiteren Schaden" vom SWR abwenden wolle. Dieser ist dadurch entstanden, dass eine zwölfköpfige Findungskommission das Kandidatenfeld vorzeitig auf zwei Personen beschränkte - und diese Namen auch noch an die Öffentlichkeit gelangten. Jan Büttner wurde dabei mit anderen qualifizierten Aspiranten aussortiert, was viele Rundfunkräte scharf kritisieren. Zum Beispiel Karl Geibel: "Es ist ein respektloser Affront, gleich mehrere Kandidaten, die alle Kriterien erfüllen, nicht einmal zur Wahl zuzulassen", sagt der ehemalige Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands (DJV). Dementsprechend sei die Stimmung in der Belegschaft schlecht. Die Unterstützer der aussortierten Bewerber seien nicht gut zu sprechen auf die Mitglieder der zwölfköpfigen "Arbeitsgruppe Intendantenwahl", die die Vorauswahl traf. Geibel: "Die Lagerbildung wurde damit verschärft."

Die entscheidende Sitzung passt zum bisherigen Prozedere: Sie wird nicht öffentlich sein

Wie sein Rundfunkrats-Kollege Volker Stich kündigt auch Geibel Widerstand gegen den Vorschlag der AG an: Er werde am Freitag beantragen, dass vier Kandidaten angehört werden und nicht nur zwei. Neben den von der AG vorgeschlagenen, Stefanie Schneider (Landessenderchefin Baden-Württemberg) und Kai Gniffke (Tagesschau-Chefredakteur), sollen dies Clemens Bratzler (Vize-Landessenderchef) und Andreas Cichowicz (NDR-Fernseh-Chefredakteur) sein, die dem Vernehmen nach beide ihre Bewerbung aufrechterhalten. "Als Rundfunk für das Volk ist der SWR zur maximalen Transparenz verpflichtet", sagt Geibel. Die Rundfunkräte müssten vor ihrer Entscheidung wissen, welche Pläne die einzelnen Bewerber haben, die er alle als "kluge Köpfe" ansieht.

Ob Geibels Antrag durchgeht, ist allerdings offen. Am Freitag kommen 74 Rundfunkräte und 18 Verwaltungsräte zusammen, um das Wahlprozedere zu beschließen. Dabei kann es gut sein, dass der Vorschlag der AG bestätigt wird. Jedenfalls versuchen die zwölf Mitglieder der AG offenbar, eine Mehrheit für ihren bisherigen Plan, das Duell, zu organisieren. Sie fürchten wohl einen Gesichtsverlust bei einem anderen Vorgehen. Zudem gibt es Stimmen, die vor einer langwierigen Wahlprozedur warnen, weil laut Staatsvertrag zwischen jedem Wahlgang sechs Wochen liegen müssen. Die Mächtigen in den Gremien wollen das "wohl austarierte" Vorergebnis nicht verkomplizieren, heißt es von Kennern im SWR. Die entscheidende Sitzung am Freitag passt in der Form zum bisherigen Prozedere: Sie wird nicht öffentlich sein. Die Intendanten-Wahl an sich findet wohl erst im Mai statt. Hierbei wird es ebenfalls kompliziert, denn in der Zwei-Länder-Anstalt gelten Sonderregeln: Um die Wahl zu gewinnen, muss ein Kandidat nicht nur die Mehrheit des Gremiums haben. Sondern zusätzlich auch noch mindestens jeweils die Hälfte der Stimmen der Mitglieder aus jedem Bundesland.

Und wer gilt nun - unabhängig vom Wahlablauf - als Favorit? Für Stefanie Schneider spricht, dass sie aus Baden-Württemberg kommt und eine Frau ist, denn im Wahlgremium sind sowohl Frauen als auch die Baden-Württemberger in der Mehrheit. Andererseits hat sie bislang kaum Erfahrungen außerhalb des SWR gesammelt. Ganz im Gegensatz zu Kai Gniffke, der ARD-weit bekannter und besser vernetzt ist. Das könnte wichtig werden, wenn es darum geht, die zweitgrößte ARD-Anstalt auf Bundesebene zu vertreten. Gniffke gilt zudem als Wunschkandidat der rheinland-pfälzischen SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer; seine journalistische Unabhängigkeit steht zwar außer Frage, aber mittlerweile thematisieren Räte seine Doktorarbeit, je nach eigener Colour wohlwollend, oder gerade nicht: Gniffke habe sich darin mit einem SPD-Mann ("Max Quarck. Eine sozialdemokratische Karriere im Deutschen Kaiserreich") beschäftigt. Komplizierte Befindlichkeiten im SWR-Land. Von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und dessen Leuten brauchen die Kandidaten übrigens eher nichts zu erwarten: Der halte sich zurück, heißt es. Er wolle das alles nicht noch komplizierter machen.

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Quelle:
SZ vom 20.03.2019
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