"Studio Amani" auf Pro Sieben:Frau im Blindflug

"Studio Amani" auf Pro Sieben mit Enissa Amani

Schwierig, bei solchen Promo-Fotos noch zu gewinnen: die neue Pro-Sieben-Kapitänin Enissa Amani.

(Foto: Boris Breuer; ProSieben / Boris Breuer)

Pro Sieben setzt in der Late Night auf eine lustige Moderatorin mit Migrationshintergrund. Doch die "Kanaken"-Witze von Enissa Amani sind allenfalls Provokatiönchen.

TV-Kritik von Johanna Bruckner

Was soll man bei solchen Promo-Fotos noch retten? Auf einem trägt Enissa Amani eine Pilotenmütze mit Pro-Sieben-Logo. Die Symbolik ist klar: Eine Frau, noch dazu mit Migrationshintergrund, sitzt jetzt am Steuerruder des Late-Night-Fliegers. Also auf jenem Platz, den Stefan Raab mit TV total zuletzt im Autopiloten flog. Ab-ge-ho-ben! Allerdings posierte schon Heidi Klum auf Werbeplakaten für Germany's Next Topmodel im Flugbegleiterinnen-Kostümchen - das war für die Staffel, die vor einem Jahr lief. Und nicht nur den Werbeverantwortlichen des Münchner Privatsenders fällt nichts mehr ein, die große Leere in der Programmgestaltung hat Schwarzes-Loch-Ausmaße erreicht. Studio Amani ist ein Blindflug.

Montagabend, 23.15 Uhr, Amani begrüßt zur ersten Ausgabe ihrer "Personality-Show". "Ich hab' keinen Plan! Was geht ab hier?", ruft die 32-Jährige, die mit Auftritten in der Sendung jenes Mannes bekannt wurde, den sie nun beerben soll. Wobei sich das mit dem Erbe irgendwelche Medien ausgedacht haben müssen, denn Amani betonte vorab in einem Interview: "Ich werde eine kleine Show machen, die sich nicht messen lässt mit dem, was Stefan Raab gemacht hat." Die Sender-Strategen können es auch nicht gewesen sein, denn die haben die Sache mit dem Ideen entwickeln längst outgesourct. "Pro Sieben hat gesagt: 'Mach, was du willst!'", erklärt Amani. Es folgt der erste Witz: "Cool, ich hab' mir neue Schuhe bestellt."

Ein wohlkalkuliertes Provokatiönchen im Spätabendprogramm

Das ist bestätigtermaßen lustig. 2015 bekam Amani den Deutschen Comedypreis als beste Newcomerin. Sie macht die Art von Späßen, die gerade den Zeitgeist treffen: über die Lebenswelt von Migranten, über "Kanaken" und "Kartoffeln". Sie dürfe so was sagen, erklärt die Gastgeberin, schließlich habe sie selbst Migrationshintergrund. "Wenn ich sage: 'Deutsche', dann meine ich natürlich meine deutschen Freunde und Freundinnen ohne Migrationshintergrund. Die soll's ja auch noch geben - niemand ist perfekt." Geboren wurde Amani in Iran, die Familie floh später nach Deutschland. Dass sie sich für ihre Witze rechtfertigt, zeigt, dass Pro Sieben mit Studio Amani nicht den großen kulturellen Tabubruch wagen will, sondern ein wohlkalkuliertes Provokatiönchen ins Spätabendprogramm gelegt hat. Wenn überhaupt.

"Studio Amani" auf Pro Sieben mit Enissa Amani

Exotik als Verkaufsargument: Enissa Amani als Comedy-Shootingstar auf Pro Sieben.

(Foto: Boris Breuer; ProSieben / Boris Breuer)

Viel wahrscheinlicher und zynischer ist, dass Pro Sieben gerade auf Exotik als Verkaufsargument setzt. Man kann sich direkt vorstellen, wie nach Verkündung des Raab-Ruhestandes im vergangenen Juni eiligst Ideenrunden anberaumt wurden. Wie sich in den Büros in Unterföhring Sommer- und Angstschweiß mischten. Wie dann irgendwann irgendjemand sagte: "Eine Frau! Eine lustige Frau! Eine lustige Frau mit Migrationshintergrund!" Wie dann alle riefen: "Jackpot!" Und weil man gerade so schön in Fahrt war, beschloss man gleich noch, von dieser Frau auf jeden Fall ein paar stimmungsvolle Fotos mit orientalischem Teegeschirr vor einem Ornamentsofa zu schießen. Tausendundeine Nacht und so.

Donald Trump, Maiskolben, ein Hamster und ein Katzenvideo

Wie soll Enissa Amani da noch gewinnen? Zumal man der Lust des jugendlichen Zielpublikums an Worten wie "Kanake" schnell den Garaus machen kann. Mit Worten wie "frech", "frisch" oder "funky". So beschreibt Pro Sieben die Persönlichkeit seiner "Personality-Show"-Moderatorin. Fehlt nur noch, dass ihr jemand einen Witz schreibt: "Kommt Donald Trump zum Friseur. Sagt der Friseur: 'Ich mach' Ihnen 'ne freche Frisur.'"

Der tatsächliche Trump-Witz in der Sendung geht so: "Trump ist sexistisch, rassistisch und dumm. Aber er wäre ja nicht der erste US-Präsident mit diesen Eigenschaften. Was gar nicht geht, ist ein US-Präsident mit dieser Frisur." Dazu werden Bilder von einem Maiskolben und einem Hamster gezeigt. Dann läuft ein Katzenvideo. Dann geht es um die neuen Bewertungsmöglichkeiten bei Facebook: "Die AfD freut sich besonders über den Wütend-Button, die haben den leicht verifiziert." Dazu wird ein wütendes Emoticon mit Hitlerbärtchen eingeblendet.

Das Publikum klatscht und johlt trotzdem enthusiastisch. Vielleicht spielt der Gast des Abends, Werbe-, Tatort- und nun auch Pro-Sieben-Gesicht Antoine Monot Jr. (Prankenstein), deshalb gleich zu Beginn auf den Claqueur bei Anne Will an. Der Schauspieler darf außerdem ein Spiel spielen, das wahlweise von Joko & Klaas oder Jan Böhmermann abgekupfert sein könnte: Zuschauer stellen Monot in selbst gedrehten Videoclips skurrile Fragen. Zum Beispiel: "Wie machst du das eigentlich mit Essensresten im Bart?" Antwort: "Das ist ganz toll, manchmal wache ich nachts auf und finde noch ein halbes Schnitzel."

So viel gibt es bei dieser Sendung nicht zu holen.

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