Studie:Abwärtsspirale

Die Otto-Brenner-Stiftung hat die 100 beliebtesten deutschen Youtube-Kanäle untersucht. Die Autoren bemängeln "plumpen Konsumismus" sowie überkommene Rollenbilder in vielen Clips der bei den Jungen so beliebten Internetplattform.

Von Uwe Ritzer

Die Proteste der vergangenen Monate gegen die Reform des Urheberrechts waren getränkt von einem grundlegenden Irrtum. Dem, dass das Internet ein durch und durch basisdemokratischer Ort ist, weil jeder in Wort und Bild dort loswerden kann, was immer er will, bevorzugt auf einschlägigen Portalen. Youtube ist eines der erfolgreichsten weil am häufigsten genutzten, vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Als "basisdemokratisches Medium zur kulturellen Selbstermächtigung, das obendrein Feuerwerke der Kreativität entfacht", taugt Youtube aber nicht.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung, an welcher der Kommunikationswissenschaftler Lutz Frühbrodt von der Hochschule Würzburg-Schweinfurt und die Kommunikationsberaterin Annette Floren anderthalb Jahre gearbeitet haben. Manchmal mit schlechter Laune, sagt Frühbrodt, dann nämlich, wenn beide zu Studienzwecken stundenlang Youtube-Videos anschauten. Bevorzugt solche von Influencern, jenen scheinbaren Produkttestern von nebenan, von denen viele in Wirklichkeit nur von der Industrie gekaufte Werbefiguren sind.

Was Frühbrodt und Floren bedenklich stimmt, war nicht nur der so erzeugte "plumpe Konsumismus" und die häufig überkommenen Rollenbilder in den Influencer-Clips. Sondern vor allem, dass diese vor allem Kinder erreichen und dazu beitragen, "dass sich die kulturelle Abwärtsspirale nach dem Privatfernsehen vom Niveau her noch weiter nach unten dreht" (Frühbrodt). Youtube ist nach Einschätzung der Autoren keineswegs in erster Linie eine Plattform für Information, Diskurs und Bildung, sondern für Unterhaltung, Marketing und PR. Für ihre 156 Seiten umfassende Studie werteten Frühbrodt und Floren die 100 beliebtesten deutschen Youtube-Kanäle empirisch aus.

Nun hegen die Autoren die Hoffnung, dass Youtube verstärkt Gegenstand mediensoziologischer Debatten wird. Und mehr hinterfragt wird, "was dieses Medium mit den jungen Leuten macht".

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