Autobahngebühr bei Anne Will:Maut-Rambo ohne Plan

Anne Will Maut Ramsauer

Anne Will in ihrem Studio

(Foto: NDR/Andreas Rehmann)

Kommt die Pkw-Maut? Und vor allem: Ist eine Autobahngebühr, die nur Ausländer belastet, rechtlich möglich? Anne Will diskutiert den Wahlkampfschlager der CSU mit dem Verkehrsminister und jeder Menge Mautgegner. Doch statt neuer Erkenntnisse hören die Zuschauer Standard-Rhetorik aus dem Talkshow-Kasten für Politiker - und sehen einen planlosen Ramsauer.

Eine TV-Kritik von Sascha Gorhau

Eva Lichtenberger kennt die Deutschen gut. Noch lebhaft habe sie in Erinnerung, erzählt die grüne EU-Politikerin aus Österreich, wie die Volkswagen der "Daitschn" fünf Meter vor ihrem Geburtshaus in einer niemals enden wollenden Blechlawine vorbeigefahren sind. Lichtenberger stammt aus Matrei in Tirol, direkt an der alten Brenner-Bundesstraße gelegen. Die "Daitschn" haben die Passstraße gewählt wegen ein paar lausiger Schillinge, die damals in die bequemere Strecke investiert werden mussten. Denn der schnellere, kürzere und vor allem nervenschonendere Weg in den Italien-Urlaub wäre zweifellos die A 13 gewesen, die Brenner Autobahn. Das Wegegeld wollten sich die Durchreisenden aus dem Norden sparen.

Seit 1997 müssen Autofahrer jedoch auf allen Fernstraßen in Österreich eine Gebühr entrichten. Die CSU hat im Bundestagswahlkampf für ein ähnliches Modell geworben - mit dem Unterschied, dass die Deutschen das Geld für die Vignette über die Kfz-Steuer wiederbekommen sollen und so am Ende nur die Ausländer zahlen. Gerecht? Machbar? Oder nur eine populistische Schnapsidee? Dazu rechtfertigt sich Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer am Mittwochabend bei Anne Will.

Durchsetzungskraft eines Stofftiers

Ramsauer sitzt dieser Tage im Verhandlungsausschuss der Union, um eine große Koalition mit der SPD zu bauen. Bei Anne Will erklärt er Anne Will und drei wortgewaligen Mautgegnern, warum Deutschland diese Autobahngebühr so dringend braucht und wie sie funktionieren soll. Vor allem aber muss er klarmachen, wie und warum die deutschen Autofahrer für die Maut nicht bezahlen müssen. Denn möglicherweise verstößt das Modell gegen das Antidiskriminierungsgesetz der EU. Das bestreitet der Verkehrsminister natürlich.

Anne Will wird zwar nicht müde, den Verkehrsminister zu fragen, wie er die Maut denn nun konkret umsetzen will. Doch sie besitzt lediglich die Durchsetzungskraft eines Stofftiers und öffnet so viel Raum für Standardsätze aus dem rhetorischen Talkshow-Baukasten für Politiker. Will moderiert und stellt Fragen, führt die Debatte aber weder zielgerichtet noch steigert sie den Erkenntnisgewinn mit hartnäckigem Nachhaken.

Dabei ist die Konstellation der Gäste eigentlich spannend. Da ist die Grüne Lichtenberger. Sie ist für die Einführung einer Maut und schildert glaubhaft die Perspektive und die Erfahrungen eines Landes, das ebenfalls viel Transitverkehr auf seinen Straßen hat. Da ist der ADAC-Präsident Peter Meyer, der 18 Millionen Mitglieder hinter sich hat und damit Deutschlands erster Befürworter der freien Fahrt für freie Bürger.

Gretchenfrage der Verhandlungen

Und da ist Ramsauers Widersacher von der SPD, Florian Pronold. Der Bayer ist der SPD-Spitzenmann in den Koalitionsverhandlungen über Maut und Verkehr. Beim Streit um die Maut hatten sich Union und SPD in dieser Woche so heftig gestritten, dass Pronold die Verhandlungen abbrach. Anne Will fragt Pronold darum ein ums andere Mal, ob denn nun die Koalition wegen der Maut platzen würde. Doch die Uneinigkeit besteht in diesem Fall bei der Lkw-Maut. Wenn Anne Will das nicht wusste, war sie schlecht informiert. Wenn sie es wusste, hat sie das Thema künstlich zur Gretchenfrage der Verhandlungen hochstilisiert. Peinlich war es in jedem Fall.

Der SPD liegt die Autobahngebühr für Lkw am Herzen. So sehr, dass sie die Verhandlungen verließ, als sich die Union weigerte, darüber zu sprechen. Und so sehr, dass Pronold das Thema bei Anne Will immer wieder aufgreift. Der SPD-Mann hat dabei die Unterstützung von Eva Lichtenberger. Die beiden legen dar, wie leicht der Bund viel Geld einnehmen könnte, wenn er die Gebühr für Lkw einfach ausbauen würde. Das System ist längst etabliert, eine Ausweitung der Gebühr auf Landstraßen leicht umzusetzen. Dazu hat erst im September auch die Kommission von Verkehrsexperten um SPD-Mann Kurt Bodewig in einem Gutachten geraten. Außerdem zahlen derzeit nur Lkw mit einem Gewicht von mindestens zwölf Tonnen. Darunter fallen nicht die zahlreichen Kleinlaster und Handwerker-Fahrzeuge. Es gibt also noch viel Potenzial, das der Bund abschöpfen könne.

Planloser Ramsauer

"Viel Uneinigkeit, viel Kopfschütteln", will Anne Will in der Mitte ihrer Sendung ausmachen. Das passiert, wenn man den Gästen ausreichend Platz zum Setzen der vorbereiteten Blasen gibt. Der ADAC-Präsident darf so wieder an die hohe Mineralölsteuer erinnern, die ohnehin schon viel Geld abwerfe. Die Grüne fordert den konsequenten Ausbau des Schienennetzes, um den Verkehr auf der Straße zu mindern.

Und Ramsauer wiederholt gebetsmühlenartig sein Mantra der Gerechtigkeitslücke. Auf die Kritik sagt er nur: Wir haben jetzt auch nicht auf alles eine Lösung, aber wir werden eine finden. Wir können das Maut-Projekt doch nicht sterben lassen, nur weil wir es nicht einfach mal anpacken. Ramsauer und die CSU wollen die Maut um jeden Preis durchboxen. In der Sendung wirkt er wirkt dann aber ziemlich planlos. Doch Anne Will zeigt das nicht auf.

Denn wie soll die Umsetzung einer Pkw-Maut konkret aussehen? Verstößt der CSU-Plan gegen geltendes EU-Recht, weil er Inländer besserstellt als Ausländer? Finden Union und SPD eine Einigung bei einer eventuellen Ausweitung der Lkw-Maut? Die drängenden Fragen zur Maut-Debatte stehen auch nach der Sendung unbeantwortet im Raum. Der einzige Beitrag, den Anne Will dazu leisten konnte: Die Argumente kommen noch einmal auf den Tisch. Diese Sendung hätte man sich sparen können. So wie die Deutschen damals die Schillinge für die Brenner Autobahn.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: