Streit um "Tatort"-Vorspann:Der längste Fall

Die Schöpferin des "Tatort"-Titels zieht zum zweiten Mal vor Gericht. Sie will als Urheberin anerkannt und genannt werden.

Ekkehard Müller-Jentsch

"Das ist Kult, da darf man nicht daran rütteln." Schöner als Fernsehspiel-Chef Gebhard Henke vom WDR kann man es kaum sagen, findet Kristina Böttrich-Merdjanowa. Sie ist Schöpferin des berühmten Vorspanns des ARD-Tatorts, er der Koordinator der TV-Marke im Ersten: 781 Folgen in 40 Jahren, gerade erst wurde das Jubiläum gefeiert.

Tatort Vorspann Auge

Die Augen von Horst Lettenmeyer gehören seit jeher zu jedem "Tatort". Der damals 28-Jährige bekam für die Dreharbeiten einmalig 400 Mark.

(Foto: ARD/SF DRS/ORF)

Trotzdem ist Böttrich-Merdjanowa, 76, verbittert. Denn an diesen berühmten Trailer ist das Fernsehen damals sehr billig gekommen: Es waren umgerechnet nicht einmal 1300 Euro. Deshalb verlangt die in München lebende freischaffende Grafikerin und Trickfilmerin einen Nachschlag.

Um den wird seit Mittwoch vor dem Oberlandesgericht München gestritten. Es ist nun schon die zweite Runde: In erster Instanz vor dem Landgericht München war die gebürtige Bulgarin bereits erfolgreich.

Verschiedene Kommissare in unterschiedlichen Städten ermitteln - aber eines verbindet sie alle: Das Auge im Fadenkreuz, rennende Beine auf nassem Asphalt, ein Fingerabdruck, der als Spirale den Täter einkreist.

"Dieser Vorspann hat sich in das Gedächtnis von Generationen eingeschrieben und nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass der Tatort zu einer wiedererkennbaren Marke geworden ist", schreibt die ARD selbst im Internet über 40 Jahre Tatort.

Kann dieser wichtige Trailer ein untergeordneter Beitrag sein? Nur "rahmenbegleitendes Werk", vergleichbar mit einem Firmenlogo? Das meint Martin Diesbach, Rechtsanwalt der beklagten Sendeanstalten BR und WDR. Der Vorspann existiere nicht um seiner selbst Willen, sondern sei höchstens die Klammer der einzelnen Folgen.

Er vergleicht ihn mit dem Logo der Deutschen Bank - es sei unvorstellbar, dass dessen Schöpfer Anteil am Konzerngewinn haben wolle.

Noch geht es nicht um feste Geldbeträge

Für Nikolaus Reber, den Anwalt von Böttrich-Merdjanowa, ist der 30 Sekunden-Streifen dagegen ein eigenständiges Filmwerk. "Eines, das prägend wirkt", sagt der Advokat, der durch Urheberrechtsprozesse um Pumuckl und Das Boot bekannt wurde. "Könnten Sie den Tatort ohne diesen Vorspann anbieten?", fragt er provozierend die Rundfunkjuristen.

Noch geht es in dieser Prozess-Serie aber nicht um feste Geldbeträge. Vielmehr will Böttrich-Merdjanowa endlich als Urheberin anerkannt und genannt werden. Beides hat sie in erster Instanz erreicht.

Vor allem aber hat das Landgericht die Sender dazu verurteilt, über den Umfang der Nutzung dieses Vorspanns Rechnung zu legen - um den Nachschlag berechnen zu können. Besonders dagegen richtet sich die Berufung der Sender. "Hier geht es um grundsätzliche Fragen, die große Auswirkungen auf die gesamte Branche haben", sagt Diesbach.

Rainer Zwirlein, Vorsitzender des 29. Zivilsenats, wies besonders auf die problematische Rechtslage des Verfahrens hin, da 2002 das Urheberrecht an einer entscheidenden Stelle geändert worden ist.

Bei dieser Rechtsänderung habe der Gesetzgeber jedoch manche Lücke gelassen, die nun die Gerichte zu schließen hätten: Am 10. Februar will der Senat sein Urteil verkünden.

An der Seite Böttrich-Merdjanowas hat im Prozess nun auch Horst Lettenmayer Platz genommen: Die bekannten Augen, die im Vorspann zur Musik von Klaus Doldinger zu sehen sind, gehören ihm.

In bisher rund 30.000 Ausstrahlungen haben sie die Zuschauer angeblickt. Dafür hat der damals 28-Jährige lediglich 400 Mark bekommen. Mit seinem Anwalt Christof Krüger will er das ändern - im nächsten Tatort-Prozess.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: