Vor dem Hintergrund neuer unabhängiger Umfragen zum Antisemitismus sei die Berichterstattung zum Thema höchst relevant. Schuster bat, die Entscheidung zu überdenken.
Der Film zeigt eine Recherche, in der die beiden Autoren belegen wollen, in welchen Milieus, mit welchem Geld und welcher politischen Motivation Israelkritik in Wirklichkeit vorgebracht werde. Dass die Juden auch am Untergang der Titanic schuld seien, behauptet die Off-Stimme am Anfang programmatisch als bitteren Witz. Das gibt den Ton des Films vor.
Nun ist Arte ein Sender, dem man bisher kaum vorwerfen konnte, er ignoriere jüdische Identität und Belange oder das Thema Israel. Ein Beispiel: 2014 zeigte der Sender - gemeinsam mit dem BR - einen ganzen Tag lang das Projekt 24 Stunden Jerusalem, bei dem 70 Kamerateams das Leben von israelischen und palästinensischen Protagonisten in der Stadt filmten.
Unfassbares Strukturgewirr
In seiner Antwort an Josef Schuster schreibt Arte-Programmchef Alain Le Diberder, er könne dessen Verwunderung gut nachvollziehen. Er sei selbst "sehr betroffen" über die Vorwürfe, und könne nur versichern, dass "ehrenwerte und gute Gründe zu der Entscheidung geführt haben".
Beim Versuch, die Argumente beider Seiten nachzuvollziehen, gerät man dann allerdings schnell in ein unfassbares Strukturgewirr.
Sicher ist, dass der Film 2016 von der zuständigen WDR-Redakteurin Sabine Rollberg abgenommen wurde. Später lehnte ihn die Arte-Programmkonferenz dagegen ab: Er entspreche in wesentlichen Punkten nicht dem von ihr genehmigten Projekt. Arte habe einen Film bestellt über das aktuelle Erstarken des Antisemitismus "unter anderem in Norwegen, Schweden, Großbritannien, Ungarn und Griechenland".
Produzenten versichern, dass alle Schritte abgesprochen waren
Dagegen konzentriere sich das gelieferte Produkt hauptsächlich auf den Nahen Osten. Aus dem Off wird im Film erklärt: "Wir glauben, dass wir manches nur verstehen, wenn wir nach Israel fliegen."
Arte sei über fundamentale Änderungen "bis unmittelbar vor Lieferung des Films bewusst im Unklaren gelassen worden", schreibt Le Diberder an Josef Schuster. Die Gründe für die Ablehnung seien kein Formalismus, sondern "Verfahrensentscheidungen, die die editoriale Qualität und Verantwortung sicherstellen."
Das Problem ist nur: Die Produzenten versichern, dass alle Schritte "selbstverständlich" mit WDR-Frau Rollberg abgesprochen waren, die den Film ja abgenommen hatte. Wie konnte es dann zum Eklat kommen? Der WDR stellte am Donnerstag in einem Statement nun erstmals die Qualität des Films in Frage: "Wir bedauern, dass die redaktionelle Abnahme im WDR offenbar nicht den üblichen in unserem Haus geltenden Standards genügte."
Nach der Ablehnung durch Arte habe man den Film noch einmal begutachtet. Es bestünden nun "handwerkliche Bedenken". Es sei unklar, ob der Film journalistischen Standards des WDR genüge. Es gehe insbesondere um "Ungenauigkeiten und Tatsachenbehauptungen, bei denen wir die Belege zunächst nachvollziehen müssen". Wie es dazu kam? "Wir arbeiten das derzeit intern auf."