Süddeutsche Zeitung

Streit über Waffenkontrolle in USA:"Sie sind ein unvorstellbar dummer Mann"

Der Amoklauf von Newton heizt im US-Fernsehen bissige Debatten an: Starjournalist Piers Morgan beschimpft in seiner Talkshow den Waffenlobbyisten Larry Pratt. Der wundert sich über den Briten, der einfach nicht verstehen will, dass mehr Waffen mehr Sicherheit zur Folge hätten. Im Anschluss setzt sich die europäisch-amerikanische Auseinandersetzung im Netz fort.

Das Faible der Amerikaner für Feuerwaffen löst in Europa schon lange Kopfschütteln aus. Besonders groß wird dieses Unverständnis immer dann, wenn es in den USA wieder zu einem Amoklauf kommt, so wie Ende vergangener Woche in Newtown im US-Bundesstaat Connecticut.

Doch selten wurde dieses europäische Befremden über die laxen US-Waffengesetze öffentlich so drastisch persönlich adressiert wie jetzt in einer Talkshow des US-Nachrichtensenders CNN: Piers Morgan, der früher als gnadenloser Chefredakteur britischer Revolverblätter Furcht und Schrecken verbreitete, interviewte in seiner Sendung Piers Morgan tonight in der Nacht zu Mittwoch den amerikanischen Waffenlobbyisten Larry Pratt mit ungewöhnlicher Direktheit.

Als Pratt forderte, Lehrer müssten sich künftig bewaffnen dürfen, um sich und ihre Schüler im Fall eines Amoklaufes verteidigen zu können, stellte Morgan sichtlich irritiert die einfache praktische Frage, wo die Lehrer denn die Waffen aufbewahren sollten. Pratt begann zu antworten, diese könnten verdeckt am Körper getragen werden, doch weit kam der Direktor des Verbandes der amerikanischen Waffenbesitzer mit seiner Antwort nicht.

"Wie können Sie nur ...?"

"Moment mal", fuhr ihm Morgan dazwischen. "Sie meinen, Lehrer sollen herumlaufen und Waffen mit sich herumtragen. Auch wenn die herunterfallen können und ein Fünfjähriger sie aufheben und einen Fehlschuss abgeben könnte. Ist das Ihre Lösung?" Pratt schaffte gerade noch zu anworten: "Sie können das 'Was-wäre-wenn-Spiel' immer betreiben", da fiel ihm Morgan erneut ins Wort: "Sie haben enorme Probleme in diesem Land, mehr Waffen als Erwachsene und bei weitem die höchste Quote von Mordfällen durch Schusswaffen im Vergleich mit jedem anderen Land der zivilisierten Welt."

Pratt versuchte zu entgegnen, doch Morgan redete sich in Rage: "Wie können Sie nur ...?". Pratt unternahm immer wieder einen neuen Anlauf, doch Morgan ließ ihn erst einmal nicht mehr zu Wort kommen. Der Interviewte begann, unsicher zu lachen. Das hätte er lieber nicht tun sollen, denn prompt wurde er aufgefordert: "Hören Sie bitte auf zu lachen."

"Piers Morgan zurück nach England schicken"

An diesem Punkt hatte das Gespräch ein Niveau erreicht, das weniger dem Erkenntnisgewinn diente als vielmehr der Befriedigung von möglicher Sensationsgier beim Publikum: "Waffenverbote funktionieren nicht, die haben auch in England nicht funktioniert. Sie hatten dort Massenmorde, sie hatten Massenmorde in ganz Europa", argumentierte Pratt unter Anspielung auf Morgans Herkunkft. "Sie reden kompletten und heillosen Unfug", rief Morgan wütend. Und legte nach: "Sie sind ein unvorstellbar dummer Mann, oder nicht?". "Mir scheint, Fakten interessieren Sie nicht, sie prallen gleich von Ihrem Kopf ab", schlug Pratt zurück.

Im Netz sorgte die Debatte im Anschluss für weitere europäisch-amerikanische Auseinandersetzungen: "Wir reichen bei der Obama-Administration die Petion ein, Piers Morgan zurück nach England zu schicken", twitterte "j3VOL-LibertyTalks", während die deutschsprachige Kanada-Auswanderin Susanna Oberli den Engländer feierte: "Grandioser @piersmorgan heute!!! Der Mann nennt die Dinge beim Namen."

Die Emotionen schlagen im Nachrichtenäther und im Netz also hoch, doch weniger Schusswaffenopfer wird es allein deswegen in den USA nicht geben.

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