Streamingdienste:Fernsehen à la carte

Streamingdienste: Der neue Dienst ESPN+ kostet fünf Dollar im Monat. Viele Nutzer abonnieren aber gleich mehrere dieser Dienste.

Der neue Dienst ESPN+ kostet fünf Dollar im Monat. Viele Nutzer abonnieren aber gleich mehrere dieser Dienste.

(Foto: ESPN)

In den USA zahlen viele Zuschauer nur noch für die Sender und TV-Programme, die sie wirklich sehen wollen. Billiger macht es das nicht.

Von Jürgen Schmieder

Einer der beliebtesten Sprüche in Deutschland, nach "Das wird man ja wohl noch sagen dürfen" natürlich, das ist dieser hier: "Und dafür zahle ich Gebühren!" Der Rundfunkbeitrag von 17,50 Euro pro Monat ist so beliebt wie eine Wurzelbehandlung, und es wird ja gerne mal darüber debattiert, ob das Ende des Abendlandes bevorstünde, würde er abgeschafft. In den USA probieren sie das gerade aus, wobei man sagen muss, dass es den Beitrag dort gar nicht gibt. Die meisten Amerikaner bezahlen freiwillig für TV-Pakete mit mehr als 300 Sendern, von denen einige derart schreckliche Inhalte anbieten, dass sie an eine Wurzelbehandlung erinnern. Die meisten dieser Pakete kosten umgerechnet etwa 60 Euro pro Monat, es gibt aber auch welche für mehr als 100 Euro.

Was wäre nun, wenn die Leute nur noch für das bezahlen müssten, was sie tatsächlich konsumieren? So, wie sie das zum Beispiel auch im Supermarkt tun? Das eben gestartete Sport-Streamingangebot ESPN+ steht symbolisch für diesen Wandel in der Unterhaltungsbranche, weil es viele Dinge vereint, die bei diesem Wandel typisch sind - und weil es einen Vorgeschmack gibt auf das, was noch passieren dürfte, auch in Deutschland. Hierzulande wurde dieser Wandel bislang nur angedeutet, einige Partien der Fußball-Bundesliga oder manch Veranstaltung der Olympischen Winterspiele waren nicht beim Haupt-Pay-TV-Anbieter oder auf öffentlich-rechtlichen Sendern zu sehen.

Allein die Streaming-Abos für Live-Sport summieren sich locker auf mehr als 60 Euro im Monat

ESPN+ gehört zum Sportsender ESPN und damit zum Disney-Konzern. Das Unternehmen rühmt sich dafür, die Übertragungsrechte an zahlreichen Sportveranstaltungen zu besitzen - und natürlich reicht ein Kanal nicht aus, das alles zu senden. Es schwappen also zahlreiche Inhalte aus der ESPN-Sendergruppe auf das Streamingportal. Etwa Partien von Tennis-Grand-Slams, Begegnungen der Baseball-Profiliga MLB oder Rugby-Spiele. Das reicht allerdings nicht, den Preis von fünf Dollar pro Monat zu rechtfertigen, es gibt deshalb exklusive Inhalte wie etwa den Boxkampf zwischen Amir Khan und Phil Lo Greco, Basketballanalysen von Kobe Bryant und Partien des Bastian-Schweinsteiger-Fußballvereins Chicago Fire. Zudem können Abonnenten auf bereits gesendete Inhalte wie etwa die Dokumentarfilme der vielfach ausgezeichneten Serie 30 for 30 zugreifen.

Das klingt verlockend, nun allerdings wird es kompliziert, so wie auch ein Besuch in einem US-Supermarkt kompliziert ist, weil es allein vom Müsli mindestens 300 Sorten gibt (von denen die meisten zu Wurzelbehandlungen führen können, aber das ist ein anderes Thema). Wer zum Beispiel in Los Angeles wohnt, der kann zwar die Spiele von Chicago Fire über ESPN+ empfangen, für Partien des örtlichen Fußballvereins LAFC braucht es allerdings ein Abonnement beim Streamingservice Youtube TV für 35 Dollar pro Monat, über das er dann auch - weil der Sender Fox Sports West darin enthalten ist - Spiele des Lokalrivalen Galaxy sehen kann. Die englische Premier League läuft dagegen bei NBC, die deutsche Bundesliga auf Fox Sports, die Champions League auf ESPN - alles bei Youtube TV dabei. Nicht enthalten: Fußball aus Spanien, Italien und Frankreich, das gibt es beim Streamingservice BeIn Sports für 25 Dollar im Monat.

Klingt kompliziert? Nun, im amerikanischen Sport-TV-Supermarkt war das nur der erste Gang. Wer in Los Angeles Live-Spiele des Baseballvereins Dodgers sehen will, muss einen Vertrag bei DirecTV (ab 35 Dollar pro Monat) abschließen. Die Spiele des Basketballklubs Los Angeles Lakers laufen bei Spectrum Sports Net (im eigenen Paket ab 30 Dollar pro Monat), die Playoffs der Eishockeyliga NHL und der Basketballliga NBA gehören unter anderem zum TV-Paket des Streamingdienstes Hulu für 40 Dollar im Monat. Der Boxkampf zwischen David Haye und Tony Bellew am vergangenen Wochenende wurde auf dem Spartenkanal AWE gezeigt, etwa in Paketen von Roku und Apple TV enthalten.

Wer bis hierhin noch nicht verrückt geworden ist, der bemerkt, dass allein Live-Sport locker mehr als 60 Dollar pro Monat kostet; über Serien, Nachrichten und Filme haben wir noch gar nicht geredet. Es mag verlockend klingen, im Supermarkt nur für das zu bezahlen, was man wirklich haben will. Es kann allerdings unübersichtlich und teuer werden - viel teurer als der deutsche Rundfunkbeitrag von 17,50 Euro pro Monat. Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.

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