Streaming:Propaganda-Söldner

Eine Doku beschreibt den Datenskandal von Facebook und Cambridge Analytica - und sinistre Methoden, die nur die Spitze des Überwachungs-Kapitalismus sind.

Von Bernd Graff

Löschen Sie sämtliche Apps von Facebook auf allen Ihren Geräten! Und auf denen Ihrer Kinder. Jetzt. Sie haben es immer geahnt, dass diese Firma ein Monster ist, das mit Ihren persönlichen Daten jede Menge Geld verdient. Doch manchmal braucht es Filme, die einem die Augen öffnen.

Solch eine Dokumentation ist der Netflix-Film The Great Hack von Karim Amer und Jehane Noujaim, den Autoren des Oscar nominierten Films The Square. Im Zentrum ihrer neuen, fast zweieinhalbstündigen Doku steht der Skandal um die britische Firma "Cambridge Analytica" (CA). Sie war spezialisiert auf strategisch politische Kommunikation, die auf der Analyse von Big Data basierte. Solche Daten kamen im großen Stil von Facebook. Illegal genutzt, wie Facebook sagt. Im besten gegenseitigen Einvernehmen und gemeinsam ausgewertet am selben Bürotisch, wie im Film gesagt wird.

Einen der größten Datenskandale der Welt löste CA nach dem letzten US-Präsidentschaftswahlkampf aus, weil die Firma auf Grundlage der Profile von fast 90 Millionen ahnungslosen Facebook-Nutzern detaillierte Psychogramme erstellte, um damit gezielt Propaganda für Trump zu lancieren. Sie war nach der Datenauswertung speziell auf "Persuadables" gerichtet, auf die noch Wankelmütigen. Die mittlerweile geschlossene Firma stand aber nicht nur in Diensten Trumps und davor des republikanischen Senators von Texas, Ted Cruz, sie diente ihre "electoral Services" ebenfalls den Brexit-Verfechtern von "Leave.Eu" und Ukip an. "Oops, we've won," raunt dazu an einer Stelle ein Mitarbeiter.

THE GREAT HACK

Berichte über Ex-Arbeitgeber Cambridge Analytica: Brittany Kaiser.

(Foto: NETFLIX)

2013 forcierte Cambridge Analytica in Trinidad und Tobago nur bei den Anhängern eines bestimmten Kandidaten eine Graswurzelbewegung, die darin bestand, nicht wählen zu gehen. Auftraggeber dieser Kampagne war natürlich der Gegenkandidat, der dann haushoch gewann.

CA war also so etwas wie ein Propaganda-Söldner mit sinistren Methoden, die Fachkraft fürs Schmutzige also - oder, wie die britische Journalistin Carole Cadwalladr im Film sagt: die Spitze des "Überwachungskapitalismus".

Denn dieser Skandal hatte ja eben zwei Agenten: CA, das Unternehmen mit den fragwürdigen Methoden, aber eben auch: Facebook, die Plattform, von der die Daten (angeblich missbräuchlich) geschürft wurden. Man muss leider sagen, dass der Film, der grandiose Bildideen aufbringt, um die Datenwolke, die uns alle umgibt, sichtbar zu machen, mit CA nur den abgehalfterten Nebenschuldigen dieses Skandals ins Zentrum rückt, den Hauptschuldigen aber, Facebook, der weiter Skandal auf Skandal häuft, ein wenig zu sehr außen vor lässt.

Denn, wie sagt Julian Wheatland, der ehemalige Geschäftsführer von CA, richtig: "Es geht nicht um unsere Firma. Die Technologie ist in der Welt, und sie wird weiter genutzt werden. Mich ärgert, dass es nun nicht mehr Cambridge Analytica ist, die sie nutzt."

The Great Hack, läuft auf Netflix.

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