Streaming:Mit LeFloid um die Welt

Aufwendige Reportagen, Tankstellenwitze und David Hasselhoff: Zum Bezahlangebot von Youtube gehören jetzt auch deutsche Eigenproduktionen.

Von Carolin Werthmann

Die Ära Youtube begann bescheiden, mit einem Video von einem jungen Mann vor einem Elefantengehege im Zoo von San Diego, Rüssel-Witzchen nuschelnd. Am 23. April 2005 stellte er es auf Youtube und nannte es "Me at the zoo" (Ich im Zoo). Ob er ahnte, dass er bald Multimillionär sein würde? Der Mann war Jawed Karim, einer der Mitbegründer Youtubes und sein Clip der erste seiner Art, 19 Sekunden kurz und inhaltlich so relevant wie all die Katzen-, Hunde-, Baby- oder Pannenvideos, die folgen und lange Zeit den Stil der Youtube-Inhalte prägen sollten.

13 Jahre später finden sich immer noch hyperventilierende Zocker, schmusige Plumploris und verrückte Katzen auf der Plattform, aber Youtube bietet längst mehr als das. Bürgerjournalismus, Wissensformate, Kulturkritiken - die Macher hinter den Videos professionalisierten sich in Form und Inhalt, sind Ratgeber und Entertainer, und das mit Millionen Fans. Jetzt geht die Tochterfirma von Google noch einen Schritt weiter.

Das Bezahlangebot Youtube Premium für 11,99 Euro monatlich ist seit Juni in Deutschland verfügbar. Für den Preis werden Nutzer von lästigen Werbeclips befreit, sie können Inhalte herunterladen, Musik streamen und sich hochwertige, exklusive Inhalte ansehen wie die von Youtube finanzierten Eigenproduktionen, die Youtube Originals. Bislang waren das ausschließlich amerikanische Formate, doch seit ein paar Tagen sind auch drei deutsche darunter: Die Dokureihe LeFloid vs. The World, die Serie Bullsprit und die Talkshow Neuland . Ihre Frontmänner - und es sind bislang nur Männer - sind drei der erfolgreichsten deutschen Youtuber. Florian Diedrich aka LeFloid, das Team um C-Bas, Phil und Chris von dem Kanal Bullshit TV, und Phil Laude, der mit dem Comedy-Kollektiv Y-Titty bekannt wurde.

Mit den eigens produzierten Videos reagiert Youtube auf den Konkurrenten Facebook, der die Popularität von Bewegtbild erkannt hat und seine Nutzer verstärkt einlädt, Videos statt Text und Bild zu posten. Was aber können die Youtube Originals?

Bullsprit und Neuland tatsächlich nicht allzu viel. Ersteres, eine fiktive Geschichte um eine vererbte Tankstelle, drängt den Protagonisten C-Bas, Phil und Chris Rollen auf, was befremdlich ist, denn Schauspieler, vor allem gute, sind die Youtuber nicht. Letztlich spielen sie sich selbst, müssen sich aber durch erzwungene Drehbuchzeilen und müde Tanke-Wortwitze quälen ("Das wär voll super für uns", "Gib Gas, Digger", "Ich kann gar nicht warten, bis die Zapfsäulen wieder am Start sind"). Mit Prominenten aus der alten Medienwelt wie Andrea Sawatzki oder Oliver Korittke hoffen die Macher auf zusätzliche Zuschauer. Die Ödnis, drei semitalentierten Jungs beim Chillen an einer ranzigen Tankstelle zuzusehen, rettet das aber nicht.

Auch in der Late-Night-Show Neuland von Phil Laude setzt man auf Prominenz. David Hasselhoff bringt sich als Moderator ins Rennen und konkurriert in gespieltem Machtkampf mit Laude um den Posten des Showmasters. Doch Hasselhoffs Kultstatus ist erschöpft, trotz oder wegen seiner unerbittlichen Selbstironie.

Bemerkenswert dagegen ist der Produktionsaufwand, der an etablierte Fernsehformate wie Circus Halligalli oder die ZDF-Neo-Serie Tanken - Mehr als Super erinnert. Das gilt vor allem für LeFloid vs. The World. Die dritte Serie der Youtube Originals ist konzeptuell, dramaturgisch und visuell stark. Gastgeber ist LeFloid, ein Star im Youtube-Universum mit über drei Millionen Abonnenten. Den weniger Youtube-Affinen dürfte der Dreißigjährige von seinem Interview mit Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahr 2015 in Erinnerung sein. In seiner Serie fliegt er von Berlin nach Südkorea, von Südkorea nach New York, von New York nach Vermont und spricht über die großen Themen des Lebens: mit Model Toni Garrn über Schönheitsideale, mit dem Roboterentwickler Bruce Duncan über künstliche Intelligenz, über Geld und Finanzen mit IWF-Chefin Christine Lagarde. Als einzige der deutschen Produktionen ist LeFloids Serie auf Englisch gedreht. "In der Tat achten wir darauf, dass eine Serie global funktionieren und Erfolg haben könnte", sagt Henning Dorstewitz, Sprecher von Youtube Deutschland. "Bei LeFloid hat sich die englische Sprache auch deshalb angeboten, weil er die Interviews mit seinen internationalen Gesprächspartnern ohnehin auf Englisch führen musste."

Über 900 000 Aufrufe zählt die erste Episode von LeFloid vs. The World. Das ist weit mehr, als die Pilotfolgen der beiden Kollegen verzeichnen, die sich zwischen 300 000 und 650 000 Zugriffen bewegen. Zwei Wochen nach deren Start sei das keine schlechte Bilanz, findet Dorstewitz. Von den Zahlen kann man allerdings noch nicht auf einen Erfolg des Premium-Angebots schließen: Die jeweils ersten Folgen sind kostenlos verfügbar, erst für alle weiteren brauchen Nutzer einen Account. Deren Zugriffszahlen gibt Youtube jedoch nicht bekannt.

Ein Blick in die Kommentarspalte unter den Pilotfolgen der Youtube-Originale verrät Skepsis. "Kein Bock auf Youtube Premium", taucht als Meinung immer wieder auf. Weniger wegen des Inhalts als wegen des Abos: Youtube-Nutzer sind einer ARD/ZDF-Onlinestudie aus dem Jahr 2017 zufolge vor allem die 14- bis 29-Jährigen, die sich Bezahlangebote im Netz oft nicht leisten können oder wollen, und schon gar nicht mehrere davon.

"Wir sind da ganz realistisch", sagt Dorstewitz. "Für uns ist klar, dass die absolute Mehrzahl der Nutzer nach wie vor den kostenfreien Inhalt auf Youtube konsumieren wird. Sie zahlen mit ihrer Aufmerksamkeit statt mit Geld." Dennoch sei Youtube Premium "ein schönes Add-on für diejenigen, die auf Werbung verzichten und Videos und Musik offline sehen und hören wollen", so Dorstewitz.

Youtube strebt danach, als Produzent hochwertiger und eigens konzipierter Videoinhalte auch bei einem Publikum fernab der bisherigen Kernzielgruppe ernst und wahrgenommen zu werden. Bei den deutschen Youtube Originals gelingt das bislang aber nur LeFloid vs. The World.

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