"Prince Charming":Märchenprinz

"Prince Charming": Nicolas Puschmann sucht den idealen Mann - das läuft nach den Mustern, die man aus heterosexuellen Kuppelshows kennt.

Nicolas Puschmann sucht den idealen Mann - das läuft nach den Mustern, die man aus heterosexuellen Kuppelshows kennt.

(Foto: RTL)

Bisher gab es das in allen Variationen für Heterosexuelle: Nun läuft die erste deutsche Kuppelshow für Homosexuelle. Und so oberflächlich das alles sein mag, ein Signal für den Abbau von Vorurteilen ist sie allemal: Sie funktioniert immerhin wie alle Kuppelshows.

Von Patrick Heidmann

"Wir sind hier nicht, um Freunde zu finden!" Keine Reality-Show im Fernsehen kommt ohne Kandidatinnen und Kandidaten aus, die diesen Satz so oder so ähnlich zu irgendeinem Zeitpunkt von sich geben. Auch in Prince Charming fällt er selbstverständlich, schließlich ist die Sendung genau das: Reality-TV der klassischen Art, produziert von der gleichen Firma, die auch den Bachelor oder das Sommerhaus der Stars verantwortet. Nur eben mit einem entscheidenden Unterschied.

Der titelgebende Märchenprinz ist nämlich so etwas wie der schwule kleine Bruder des Bachelors. Oder anders ausgedrückt: Zum ersten Mal überhaupt konzentriert sich eine deutsche Kuppelshow ausschließlich auf homosexuelle Kandidaten. Nach dem Start beim Streaming-Ableger TV Now ist die Dating-Sendung nun bei Vox zu sehen. 20 Single-Männer wurden dafür in einer schicken Villa mit Pool und Meerblick in Kreta untergebracht, wo sie um die Aufmerksamkeit des Protagonisten buhlen. Der heißt Nicolas Puschmann, ist ein 28-jähriger Außendienstmitarbeiter und fiel in der ersten Sendung vor allem durch ausgesuchte Höflichkeit und einen Hintern auf, den er selbst als "wirklich knackig und geil" beschreibt.

Von der sexuellen Identität der Mitwirkenden abgesehen sind die für die Dramaturgie notwendigen Zutaten bei Prince Charming die exakt gleichen wie in vergleichbaren Formaten. Das sommerliche Wetter sorgt für möglichst viel nackte Haut, ohne intrigante Lästereien, lautstark ausgetragene Konkurrenzkämpfe und eine Menge vergossener Tränen geht gar nichts. Um die Emotionen auch immer schön nah an der Oberfläche zu halten, scheinen die Alkoholvorräte der Villa unbegrenzt zu sein, und wenn jemand etwas von "inneren Werten" erzählt, bebildert das die Regie bevorzugt mit wohldefinierten Muskelbergen.

Überhaupt, die Muskeln: Kaum einer der Kandidaten hat sie nicht, und ohnehin sind hier eigentlich alle Männer mindestens schlank. Brillen oder Bäuche sucht man vergebens, und Bärte sind bestenfalls akkurat gestutzt. Älter als 40 ist auch keiner. Um die Vielfältigkeit der Gay Community zu repräsentieren, muss es reichen, dass einer schwarz und Ossi ist, während ein anderer sich die langen blonden Haare zum Man Bun bindet. Oder sich die Anzahl der Tätowierungen unterscheidet.

Wer glaubt, Prince Charming habe die Absicht, mit Klischees aufzuräumen, ist ohnehin auf dem Holzweg. Ohne Stereotype kommt eine Show wie diese nicht aus, und für die Rechte von Homosexuellen kämpft die Sendung in etwa so sehr wie der Bachelor für den Feminismus. Wobei Puschmann trotzdem nicht ganz unrecht hat, wenn er im Interview sagt, die Show habe für ihn auch eine Art Lehrauftrag. Wie mühelos die in heteronormativen Kontexten erdachten Regeln des Genres sich auf die Suche nach einem schwulen Traummann übertragen lassen, lässt sich schließlich durchaus als Lehrstück in Sachen Gleichberechtigung sehen, selbst wenn man das Format an sich als oberflächlichen Trash abtut.

Und die Selbstverständlichkeit, mit der eingangs Puschmanns Mutter über das Coming-out ihres Sohnes spricht, sollten sich auch im Jahr 2019 noch manche Eltern homosexueller Kinder als Vorbild nehmen.

Prince Charming, auf TV Now und bei Vox.

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