Süddeutsche Zeitung

Streaming:Liebenswert

Netflix zeigt eine Sitcom über einen, der anders ist - und schafft anrührend-komische Unterhaltung. Hauptdarsteller Ryan O'Connell hat auch die Vorlage geschrieben.

Von Susan Jörges

Ein kleiner Schubs genügt, damit Ryan über seine eigenen Füße stolpert und vornüberkippt. Ryan Kayes hat es wirklich nicht leicht im Leben. Als schwuler Mann mit zerebraler Kinderlähmung, Feinmotorikproblemen und einer höchst fürsorglichen Mutter ist das Erwachsenwerden eine Herausforderung. Die Netflix-Comedyserie Special porträtiert auf humorvolle wie anrührende Weise die Lebensgeschichte des Amerikaners Ryan O'Connell.

Die Sitcom basiert auf seinen 2015 veröffentlichten Memoiren "Ich bin besonders: Und andere Lügen, die wir uns erzählen, um durch unsere Zwanziger zu kommen". Für Netflix hat sie Jim Parsons co-produziert, bekannt aus The Big Bang Theory. O'Connell spielt sein Alter Ego Ryan Kayes, das der Zuschauer durch die diversen Lebenskrisen in seinen Zwanzigern begleitet. Niemand anderes hätte wohl die Rolle des Ryan Kayes so glaubhaft und charmant verkörpern können wie er selbst.

Bei einem Praktikum in der Redaktion des Lifestyle-Magazins Eggwoke sieht Ryan eine Chance, sich von den Vorurteilen seiner Behinderung zu befreien. Er erzählt seinen Kollegen, sein Hinken sei nicht die Folge der Kinderlähmung, sondern die eines Autounfalls, der ihm am Vortag tatsächlich widerfahren ist. "Wenn du diese eine Sache loswerden könntest, die du am meisten an dir hasst, die Sache, die niemand versteht, würdest du es nicht auch tun?", fragt sich Ryan und lässt dem Schwindel freien Lauf.

Erster Kuss, erster Sex, erster Umzug in die eigene Wohnung - endet meist alles katastrophal

Chefin Olivia (Marla Mindelle) findet Ryans Schicksal storyreif, der folgende Artikel wird ordentlich geklickt. Ein kleiner Schwindel mit weitreichenden Konsequenzen, der Fahrt in Ryans Leben bringt. Doch trotz aller positiver Lebenswendungen funktioniert weiterhin weder Schuheschnüren, Rasieren noch der Kleine-Finger-Handshake mit Ryans Kollegin Kim (Punam Patel). Und wenn sich ein zugeklebtes Paket wieder mal nicht öffnen lässt, dann steht seine Mutter immer parat. Die acht Folgen der Sitcom sind nie länger als 20 Minuten. Unterschwellig lässt O'Connell Themen wie Andersartigkeit, Akzeptanz, Sexualität und Rollenbilder anklingen und verpackt diese in teils amüsanten, teils nachdenklich stimmenden Szenen. Nicht selten hat man Mitleid mit dem liebenswürdigen Ryan, dessen erster Kuss, erster Sex und erster Umzug in die eigene Wohnung meist katastrophal enden. Anderssein ist eben anstrengend.

Auf seinem Weg begleiten ihn charismatische Charaktere. So die selbstbewusste Kim, die Ryan immer wieder ermutigt und Szenen verlässlich mit lockeren Sprüchen aufpeppt. Chefin Olivia hingegen ist sich für keinen fiesen Spruch zu schade und ist sichtlich verärgert, als Ryan auf ihrer Promi-Poolparty im obligatorischen Streifenhemd erscheint. Man kann den introvertierten Jüngling, der versucht, seinen Platz zwischen Millenials zu finden, eigentlich nur gern haben.

Special, bei Netflix*

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Quelle:
SZ vom 12.04.2019
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