Streaming:Gebrüllte Meinung

The Loudest Voice

Brillant mit Fatsuit und Glatzenkappe: Russell Crowe als Roger Ailes.

(Foto: JoJo Whilden/Showtime)
  • Die Serie "The Loudest Voice" soll eine Abrechnung mit dem Sender Fox News und dessen Gründer Roger Ailes sein, brillant gespielt von Russell Crowe.
  • Mit ihrer Darstellung von Ailes als rücksichtslosem Dämon ideologisiert sie, vereinfacht - und tut damit selbst genau das, was sie eigentlich an Fox News kritisieren will.

Von Jürgen Schmieder

Das Problem von The Loudest Voice, der Serie über den Aufstieg des Nachrichtensenders Fox News von der Kabelklitsche zum erfolgreichsten Newskanal der USA, seinen Einfluss auf Politik und Gesellschaft sowie die Gefahr ideologischer Berichterstattung für ein gespaltenes Land, das Problem ist der wunderbare Schauspieler Russell Crowe. Er verkörpert den langjährigen Senderchef Roger Ailes, er verleiht dieser machiavellistischen Figur mit seinen darstellerischen Fähigkeiten eine dämonische Tiefe. Damit tut die Serie genau das, was sie kritisieren will: Sie ideologisiert.

Ailes hat 1996 für den Medienmogul Rupert Murdoch den Sender Fox News konzipiert, als konservatives Gegenstück zu den Konkurrenten CNN und MSNBC. Ein Typ, der rücksichtslos blendende Quoten liefert. Der nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 die Patriotismus-Keule schwang, im Präsidentschaftswahlkampf 2008 den Kandidaten Barack Obama ständig als Muslim und dessen Frau Michelle als mögliche Rassistin porträtierte und 2016 zu einem der Königsmacher von Donald Trump wurde. Mehrere Moderatorinnen warfen ihm vor, sie sexuell belästigt zu haben. 2016 wurde Ailes mit einer 40-Millionen-Dollar-Abfindung entlassen, ein Jahr später starb er. Russell Crowe, mit Fatsuit und Glatzenkappe, gibt den herrischen und aufbrausenden, wegen dieser rücksichtslosen Wir-gegen-alle-Mentalität indes respektierten Anführer, den diabolischen Machtmenschen. Es gibt starke Momente in dieser Serie, etwa als Ailes nach dem 11. September 2001 zum Helfer von George W. Bush und dessen Irak-Krieg wird und im Hintergrund das Antikriegslied "Eve Of Destruction" von Barry McGuire läuft.

Ailes' Credo: Wer erfolgreich sein will, der muss seine Meinung laut brüllen, gerne auch ohne Fakten, und genau das bringt er nach seinem Abschied von Fox News dem Kandidaten Donald Trump als dessen Berater bei: niemals entschuldigen, lieber einen draufsetzen und die anderen über den Wahrheitsgehalt streiten lassen. Das Buch von Gabriel Sherman von 2014, auf dem die Serie basiert, heißt "The Loudest Voice in the Room". Weil Ailes also der Lauteste im Raum ist, bleibt in der Serie kaum Platz für andere. All die Frauen, die Ailes benutzt, demütigt oder rauswirft, bleiben Nebenfigürchen, ihr Leid nur angedeutet. Es geht immer nur um den Täter, niemals um die Opfer. So kommt es, dass The Loudest Voice zu sehr beschäftigt damit ist, Ailes zu dämonisieren und den Schauspieler Crowe glänzen zu lassen.

Es ist immer heikel, eine politisch relevante Geschichte zu erzählen, die auf wahren Begebenheit basiert. Ein ganzes Leben muss in einen Film oder die paar Episoden einer Serie gepresst werden, es müssen Elemente verdichtet, weggelassen oder ohne verlässliche Informationen hinzugefügt werden - und über allem schwebt die Frage, was die Produzenten erreichen wollen.

Anhänger von Fox News und Donald Trump werten die Serie in den USA als Nachtreten auf Ailes, als Angriff auf den Sender. Das bestärkt sie in ihrer Wir-gegen-linke-Eliten-Mentalität. So erreicht sie womöglich das Gegenteil von dem, was sie wohl erreichen wollte.

The Loudest Voice, auf Sky.

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