Süddeutsche Zeitung

"Stern" versus "Bunte":Schnüffeltante? Riekel schreibt zurück

Die Grünen-Politikerin Künast will von Verleger Hubert Burda eine Entschuldigung - es antwortet Bunte-Chefin Riekel mit dem hohen Lied der freien Presse.

Christina Maria Berr

Es ist eine Frage der Hierarchie: Die Grünen-Politikerin Renate Künast forderte eine Erklärung von Verleger Hubert Burda, weil die Bunte sich intensiv um das Privatleben von Politikern kümmert. Und erhält prompt auch Antwort - allerdings nicht vom Ober-Chef, sondern von seiner Leitenden Angestellten Patricia Riekel, der Chefredakteurin der Donnerstags-Zeitschrift Bunte.

Die 60-Jährige ist pikiert, weil die Donnerstags-Zeitschrift Stern über die Arbeitsweise der von Bunte beauftragten Agentur CMK Abträgliches berichtet hatte. Das Liebesleben von Franz Müntefering, Oskar Lafontaine und Horst Seehofer sollte ausgespäht werden, mit den Methoden einer Detektei.

Patricia Riekel lässt die Vorwürfe von Künast ("Privat ist, was beruflich keine Relevanz besitzt") nicht auf sich sitzen und reagiert sofort.

In einem offenen Brief, der sueddeutsche.de vorliegt, geht es um nichts Geringeres als die Verteidigung der eigenen Ehre. Eine Art Entschuldigung - so wie Künast das gefordert hatte - ist da natürlich nicht, vielmehr tritt Riekel als Hohepriesterin des Journalismus auf. Sie findet für ihr Vorgehen und die Recherche über das Privatleben von Politikern ganz eigene Erklärungen.

Privat ja, intim nein

Die Privatsphäre sei zwar geschützt, schreibt sie an die Grünen-Fraktionschefin, aber das "erfasst nur den innersten Bereich". Was nicht zu diesem "innersten Bereich" gehört, fügt sie auch gleich noch an: Beziehungen, Partnerschaften und Trennung sind es schon mal nicht. Denn das, so Riekel, mag zwar privat sein, gehöre aber nicht zur Intimsphäre.

Außerdem, so die Hausherrin des Münchner Bilderblattes, stütze sich Künast auf eine "höchst fragwürdige Veröffentlichung" - gemeint ist der Bericht im Stern. Riekel erklärt die Presse an sich und deren Grundlagen. Sie verweist auf das Caroline-Urteil von 2008 und auf "sozialwissenschaftliche Erkenntnisse". Juristisches soll die Juristin Künast zufriedenstellen. Aber sind nicht auch ethische Fragen berührt?

"Aufdeckung von Diskrepanzen"

Zur journalistischen Aufgabe von Bunte gehöre es, durch Berichte über Politiker zur Meinungsbildung beizutragen, inklusive der "Aufdeckung von Diskrepanzen zwischen dem gewünschten Image eines Politikers und seinem tatsächlichen Verhalten". Das Sozialverhalten von Leitfiguren sei ein Thema für die Gesellschaft, sagt Riekel und verweist auf die amerikanische Demokratie.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was laut Riekel der Unterschied zwischen privat und intim ist.

Nun, hält vielleicht nicht jeder die US-Verhältnisse für wünschenswert, die Bunte-Chefin aber verrät, wann ihre Redaktion recherchiert: "Wenn Spitzenpolitiker sich von ihrer vierten Frau scheiden lassen, wenn Spitzenpolitiker eine 40 Jahre jüngere Frau heiraten, wenn Spitzenpolitiker Freundinnen in höhere Ämter befördern - auf Steuerkosten -, wenn Spitzenpolitiker ein Alkoholproblem haben, wenn Spitzenpolitiker im Wahlkampf ihre angeblich intakte Familie vorweisen, während sie gleichzeitig in einer langjährigen Nebenbeziehung leben."

Politiker-TÜV

Es sei "korrekter Journalismus, solchem und ähnlichem Verhalten von Politikern nachzugehen". Ein Trost bleibt: Wenn sich die Informationen nicht bestätigen oder sich nicht verifizieren liessen, berichte Bunte nicht.

Ein bisschen klingt das so, als würde die Chefin dieses Teewagen-Blatts eine Art Sauberer-Politiker-TÜV sein.

Wenn "nur" der Privatbereich betroffen ist, dann müsse, so die Burda-Frau, im Rahmen einer Abwägung das Informationsinteresse im Verhältnis zu kollidierenden Persönlichkeitsrechten gewichtet werden, "denn die Privatsphäre genießt ihrerseits einen verfassungsrechtlich verbürgten Schutz". Aber: "Bei Politikern ist der nicht ausgeprägt." Selbst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erkenne in dieser Konfliktsituation ein gesteigertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit hinsichtlich politischer Akteure an.

Zwei Urteile vom BGH

Es sei unverständlich, "dass sich nun Journalisten und Politiker darin überbieten, diese Einsichten der Rechtsprechung und Rechtswissenschaft über Bord zu werfen", ärgert sich die um ihre Enthüllungen bangende Chefredakteurin. Sie weiß ja, wie sich die Steinmeiers darum reißen, in einem persönlichen Moment abgebildet zu werden. Die Home-Story hat sich in Berlin etabliert wie die Bundestagsdrucksache.

Riekel: "Von der CSU bis zu den Grünen, praktisch alle Spitzenpolitiker wollen 'menschlich' wahrgenommen werden" und präsentieren sich entsprechend, auch in Bunte. Sie aber will auch dabei sein, wenn es allzu menschlich wird. So verweist die People-Spezialistin auf zwei jüngere Urteile des Bundesgerichtshofs, wonach sogar das Privatleben ehemaliger Spitzenpolitiker (Heide Simonis, Joschka Fischer) zulässiger Gegenstand von Berichterstattung sei, obwohl hier Auswirkungen auf die Amtsführung gar nicht mehr eintreten konnten.

Anerkannter Ruf

Deshalb habe Bunte ein Foto der Villa zeigen dürfen, "die sich der ehemalige Hausbesetzer Joschka Fischer als Alterssitz ausgesucht hatte", so Riekel in einem leicht hämischen Ton, den man eher beim Spiegel vermuten würde.

Die fragliche Agentur CMK aber, die Müntefering und den anderen hinterschnüffelte, mit der hätten "alle namhaften Verlage" zusammengearbeitet. Bei der Auswahl von CMK sei die Sorgfaltspflicht gewahrt worden. Riekel: "Die Agentur genoss in der Medienlandschaft einen anerkannten Ruf. Es gab keinerlei Hinweise auf unseriöse Methoden." So baut sie schon einmal neuen Enthüllungen vor, die der Stern angekündigt hat.

Zum Schluss doziert Riekel im Stil einer Lehrstelleninhaberin für angewandten Investigativ-Journalismus noch einmal an die Adresse der nörgelnden Renate Künast: "Zusammenfassend erkläre ich Ihnen hier noch einmal: Politiker werden durch die Medien kontrolliert. Das umfasst auch die Privatsphäre der Politiker, wie es vom Bundesverfassungsgericht klar definiert wird. So ist das in der Demokratie."

Ende der Durchsage - und vielleicht besser auf die Kameramänner in parkenden Autos oder auf Booten achten.

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